27. Sonntag i. Jkr. - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern!

Der Schluss des heutigen Evangeliums ist für uns wahrscheinlich nicht ganz leicht zu verdauen: "Wenn ihr alles getan habt, was euch [von Gott] befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan."
Kommen diese Worte wirklich aus dem Munde desselben Jesus, der zu seinen Jüngern am Abend vor seinem Leiden sagen wird: "Ich nenne euch nicht mehr Knechte ... Vielmehr habe ich euch Freunde genannt"? - "Vos autem dixi amicos" - "Ich habe euch Freunde genannt", dieses Jesuswort ist auch der Wappenspruch des Wiener Erzbischofs, Kardinal Christoph Schönborn.
In der heutigen Evangeliumsstelle aber scheint es doch ganz anders zu sein: Gott als Herr und wir als seine Knechte, als seine Sklaven!

Liebe Brüder und Schwestern!
Was will Jesus uns mit diesen harten Worten sagen? Möglicherweise, so sagt es uns die Bibelwissenschaft, richtet sich dieses Jesuswort ursprünglich gar nicht an die Jünger, sondern an die Gruppe der Pharisäer; an eine oft einseitig zu Unrecht in ein schlechtes Licht gerückte Gruppierung zur Zeit Jesu. Die Pharisäer waren Menschen, die sich ernsthaft bemüht haben, das Gesetz des Alten Bundes einzuhalten - bis in kleinste Details hinein. Leicht konnte dabei allerdings der Gedanke auftauchen: Wenn ich mich in allem an Gottes Gesetz halte, dann muss er mir dafür einen Lohn geben - bereits in diesem Leben, sicher aber in der Ewigkeit. Gott wird also durch meine guten Werke zum Schuldner, er ist mir etwas schuldig.
Gegen solche Mentalität richtet sich Jesus im heutigen Evangelium. Er beobachtet die Gesellschaft seiner Zeit, wo es eben auch viele Knechte gegeben hat, die durch ihre Verschuldung in den Dienst ihres Herrn geraten sind, die durch ihren Knechtsdienst eine Schuld abzuarbeiten hatten.
Und auf dieser Hintergrundfolie sagt Jesus nun: Nicht Gott ist euer Schuldner, wenn ihr sein Gesetz befolgt, nicht er ist euch dafür einen Lohn schuldig; sondern ihr steht immer schon in seiner Schuld. Ja, alles Gute, das Gott für euch tut, könnt ihr auch mit all euren guten Taten, die ihr vollbringt nicht aufwiegen. Es bleibt euch am Ende immer nur einzugestehen: Angesichts dessen, was Gott uns schenkt, sind wir immer noch unnütze Knechte, die nur ihre Schuldigkeit tun!

Liebe Brüder und Schwestern!
Wenn dieses Wort Jesu im Evangelium, so wie es uns heute vorliegt, nicht an die Pharisäer, die "Gegner" Jesu gerichtet ist, sondern an die Apostel, an die, die er später "nicht mehr Knechte, sondern Freunde" nennen wird, dann wiegt die Sache nochmals schwerer: Sogar im engsten Kreis der Anhänger Jesu hat sich dieses falsche Denken eingeschlichen!
Und seien wir uns einmal ehrlich: Wer von uns hat noch nie so ähnlich gedacht? Gott als der Automat, den ich mit Gebeten und vielleicht noch guten Werken füttere, und der mir dann entsprechend seine Gnaden schenkt.
Insofern trifft die Mahnung Jesu nicht nur die Pharisäer, nicht nur die Apostel, sondern wahrscheinlich auch jeden einzelnen von uns!

Es geht Jesus nicht darum, uns zu Sklaven Gottes zu machen; aber er zeigt auf, dass auch Gott nicht unser Sklave ist. Alles, was Gott uns gibt, gibt er frei, er ist niemandem von uns etwas schuldig - was all das Gute, das wir von ihm erhalten, eine umso größere Gabe sein lässt.
"Allmächtiger Gott, du gibst uns in deiner Güte mehr, als wir verdienen, und Größeres, als wir erbitten", so hat uns die Liturgie der Kirche entsprechend im heutigen Tagesgebet beten lassen.

"Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteilgeworden ist!", ruft Paulus in der zweiten Lesung seinem Schüler, dem Bischof Timotheus zu.
Und dieses Wort kann auch uns gelten: Die Gnade Gottes wieder entfachen; das, was er uns als freie Gabe gewährt, bildlich gesprochen zum Leuchten bringen; seine Geschenke annehmen und dann selber zum Schenkenden werden; ihn, der unendlich gibt, nachahmen; sich so wirklich als "Freund Gottes" erweisen - ein großes Programm, das uns aufgegeben wird, für das es sich aber gewiss lohnt, seine Kräfte einzusetzen!

Zu den liturgischen Texten

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