13. Sonntag i. Jkr. - Lj. A

Liebe Brüder und Schwestern!

Wenn ich mich auf eine Predigt vorbereite, schaue ich manchmal auch in ein Buch von Wolfgang Teuschl, das den Titel trägt "Da Jesus und seine Hawara" - eine Übertragung des Neuen Testaments in den Wiener Dialekt und damit der Versuch einer Übersetzung der Lebens- und Gedankenwelt der Bibel hinein in unsere Kultur. Oft finde ich darin tatsächlich neue Ansätze, um zum Kern des Evangeliums vorzudringen. Im Falle des heutigen Sonntags muss ich aber eine wichtige Kritik anbringen.
"Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert", lautet ein zentraler Vers, den wir soeben gehört haben.
Im Markusevangelium, das Wolfgang Teuschl ins Wienerische überträgt, lautet die entsprechende Stelle: "Wenn einer mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (Mk 8,34) - Und diesen Satz gibt Wolfgang Teuschl wie folgt wieder: "Waun ana zu meina Batii ghean wü, daun deaf a ned auf si söwa schaun und muas one an Mura oweschlukn, wos eam ned bassd, und soe midkuman."

Liebe Brüder und Schwestern!
"One an Mura oweschlukn, wos eam ned bassd", ist es wirklich das, was Jesus damit meint, wenn er sagt, man müsse sein Kreuz auf sich nehmen?
Im griechischen Text steht im Matthäusevangelium die Vokabel lambano - nehmen; im Markusevangelium aíro - nehmen, heben, tragen. Es geht also tatsächlich darum, das Kreuz ganz plastisch in die Hand zu nehmen, es aufzuheben, es zu tragen.
Natürlich können wir das "Kreuz" mit dem identifizieren, "wos eam ned bassd", mit dem, was uns das Leben schwer macht, dem wir gerne ausweichen wollen. Wenn Wolfgang Teuschl meint, man müsse das "one an Mura oweschlukn", dann steht bei ihm sicher die Einsicht dahinter, dass Jesus uns auffordert, nicht zu murren, sondern das Unausweichliche einfach anzunehmen. Und doch greift diese Übersetzung "one an Mura oweschlukn" meiner Meinung nach zu kurz.
Was "hinuntergeschluckt" wird, mit dem hat man sich nämlich nicht wirklich auseinandergesetzt, das versucht man zu verdrängen, das kann zu einem großen Ballast werden, den wir mitschleppen.
Hingegen spricht Jesus zwar durchaus davon, dass man diesen Ballast zu tragen hat, aber eben nicht als verdängte Last, sondern er ruft dazu auf, das Kreuz als Kreuz zu tragen, es nicht "hinunterzuschlucken", sondern es aufzuheben (aíro) und anzunehmen (lambano).

Liebe Brüder und Schwestern!
Ich denke, die Wortwahl "one an Mura oweschlukn, wos eam ned bassd" findet sich nicht umsonst im "Wiener Evangelium". Liegt es nicht allzuoft in unserer Mentalität, den unangenehmen Dingen auszuweichen, sie nicht wahrhaben zu wollen, sie nicht anzusprechen, sich abzulenken und diese Dinge zu verdrängen?
Oft erscheint es wirklich einfacher, das Unangenehme einfach hinunterzuschlucken.

Eingangs habe ich gesagt, dass ich durch das "Wiener Evangelium" manchmal neue Impulse bekomme für ein tieferes Verstehen des Evangeliums. Im heutigen Fall möchte ich meinen, dass es umgekehrt ist, dass wir nämlich unser Wiener - und wir können wahrscheinlich sogar allgemeiner sagen: Österreichisches - Evangelium vom "one an Mura oweschlukn" korrigieren oder vertiefen lassen dürfen vom authentischen Evangelium Jesu: nicht am Kreuz, am Unangenehmen vorbeigehen, sondern es annehmen und (sichtbar) tragen - geradezu mit Stolz und Würde.
Das freilich setzt ein großes Vertrauen voraus in ihn, der selber buchstäblich sein Kreuz getragen und gerade so - durch das Kreuz hindurch - das Kreuz besiegt hat.

"Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert." - Eine Ansage gerade auch in der aktuellen Situation, in der viel von Krankheiten und Seuchen die Rede ist. Jesu Ratschlag, mit dieser Situation umzugehen ist nicht das "one an Mura oweschlukn", das Beiseiteschieben, sondern die Auseinandersetzung und Annahme der Situation, auch wenn es schwer fallen mag. Dahinter steht das Vertrauen in Gott, der auch - und vielleicht gerade - auf solch krummen Zeilen gerade schreiben kann.

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