21. Sonntag i. Jkr. - Lj. B - Verabschiedung als Kaplan von Maria Anzbach

Liebe Brüder und Schwestern!

Beim Durchsehen der Schrifttexte für den heutigen Sonntag, an dem ich meinen Abschied als Kaplan von Maria Anzbach nehme, bin ich gleich bei der ersten Lesung hängengeblieben. Da ist uns heute vom sogenannten "Reichstag zu Sichem" erzählt worden. Man nennt dieses Ereignis eben den "Reichstag", weil sich sozusagen das Volk nach der Landnahme unter Josua als Volk konstituiert. Gleichzeitig ist es auch das Ende des Buches Josua und der Abschied Josuas, unter dessen Führung das Gelobte Land nach dem Auszug aus Ägypten und der Wüstenwanderung erobert werden konnte und der einige Verse später sterben wird. So hält Josua in der ersten Lesung heute seine Abschiedsrede und in gewisser Weise liegt es nun auch an mir, eine Abschiedsrede zu halten.

Doch der Abschied Josuas ist nicht das Ende der Erzählung. Nein, wir können sagen, jetzt geht es erst richtig los. Es ist wohl das Ende des Buches Josua, doch im Buch der Richter, in den Samuel- und Königsbüchern wird die Geschichte des Volkes Israel mit ihrem Auf und Ab weiter erzählt werden. - Ich hoffe und bin mir sicher, dass mein Abschied aus Maria Anzbach wie der Abschied des Josua kein Ende bedeutet; es ist kein Ende der Pfarre und auch ich selbst stehe wohl noch am Beginn meines priesterlichen Wirkens.

Was aber ist es nun, das Josua in seiner Abschiedsrede dem Volk mitgibt? Was ist der Inhalt seiner Rede auf dem "Reichstag zu Sichem"?

Nun, zunächst ist seine Rede ein Rückblick. In den Versen, die in der Leseordnung aufgrund der Länge in der Lesung ausgelassen worden sind, erinnert er an alles, was Gott für das Volk getan hat. Er gliedert dieses Wirken Gottes durch drei "Überquerungen" von Gewässern. Er spricht von Abraham, der sich von jenseits des Eufrat aufgemacht und dem Ruf Gottes gefolgt ist. Er spricht von Mose, der das Volk durch das Rote Meer aus Ägypten geführt hat. Und er spricht von der Überschreitung des Jordan, mit der die Landnahme eingeleitet wurde. - Ein Rückblick ist es, den Josua in seiner Abschiedsrede gibt. Und gewiss ist der heutige Tag auch für mich ein Anlass, Rückschau zu halten auf die vergangenen 4 Jahre, die ich nun hier sein durfte. Wie oft bin ich hier in dieser Kirche gewesen und habe den Gottesdienst gefeiert - zuerst als Praktikant und Ministrant, dann als Diakon und schließlich als Priester! Wie oft habe ich hier an diesem Ambo das Wort Gottes verkünden dürfen! Wie oft habe ich hier an diesem Altar das Opfer Christi gefeiert und seinen Leib an die Gläubigen ausgeteilt! Auch einige Kinder konnte ich hier an diesem Taufbrunnen taufen. Einigen Gläubigen konnte ich im Bußsakrament Gottes Vergebung zusprechen. Manche Verstorbene durfte ich von dieser Kirche aus auf ihrem letzten Weg zum Friedhof begleiten. Ich erinnere mich an schöne Feste, die wir gemeinsam feiern konnten: an Erstkommunionen, Firmungen, Erntedankfeste, feierliche Hochämter, Familienmessen, einfache Werktagsmessen und vieles mehr; an das Begleiten der Sternsinger; ein besonderer Höhepunkt war die Romwallfahrt mit den Ministranten. In guter Erinnerung wird mir sicher auch der Religionsunterricht in der Volksschule bleiben. Unvergesslich bleibt mir die Kirchenmusik hier in Maria Anzbach - der Kirchenchor hat ja gemeinsam mit der Musikschule sogar meine Heimatprimiz im Waldviertel durch Mozarts Spatzenmesse musikalisch aufgewertet. Schließlich möchte ich auch noch das caritative Engagement der Pfarre Maria Anzbach, namentlich von Diakon Peter Zidar, nennen, das mich immer sehr beeindruckt hat - ein Eindruck, den ich sicher auch als Ansporn für mein weiteres Wirken mitnehmen kann. Gewiss gäbe es noch vieles zu sagen, wenn ich auf die letzten vier Jahre zurückblicke.

Doch zurück zu Josua. Der bleibt nämlich nicht beim Rückblick stehen, sondern sein Rückblick dient ihm als Argumentationsfigur hin zu einer Entscheidung, vor die er das Volk stellt: "Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt!" Wem wollt ihr dienen? Dem Herrn, der all das für euch getan hat; oder den alten Göttern eurer Vorfahren; oder den Göttern des Landes, in das ihr nun eingezogen seid? - Die Antwort des Volkes, die ist eindeutig. Die versammelte Menge wiederholt in aller Kürze den Rückblick Josuas und kann angesichts der vielen Gnadentaten Gottes nicht anders, als einstimmig zu bekunden: "Auch wir wollen dem Herrn dienen, denn er ist unser Gott."

Liebe Brüder und Schwestern!

Es steht mir nicht zu, mich mit Josua oder anderen großen Gestalten der biblischen Heilsgeschichte zu vergleichen. Ich hoffe aber trotzdem, dass mein Wirken hier in Maria Anzbach dazu beitragen konnte, dass jeder einzelne, der heute hier ist, die Entscheidung bekräftigen kann: Auch ich möchte dem Herrn dienen; ich möchte zum Herrn gehören; ich möchte mit Jesus als Freund und Wegbegleiter durchs Leben gehen; denn er ist mein Gott; er ist der, der mir alles Gute schenkt und mich auch in schwierigen Zeiten nicht im Stich lässt.

Man möge mir bitte verzeihen, wenn ich heute etwas länger rede. Aber ich möchte noch eine weitere Anmerkung zu Josua machen. Für die Kirchenväter ist er nämlich eine Präfiguration Jesu, ein Vorausbild, das auf Jesus hinweist. Der aramäische Name Jeshua - Jesus - ist eine Kurzform des hebräischen Jehoshua - Josua, weswegen sich diese Parallelisierung für die alten Bibelausleger nahegelegt hat. Was heißt das für uns? Was heißt das für mich, wenn ich wie Josua in der Lesung heute Abschied nehme?

Nun, ich denke, mein bescheidenes Wirken hier kann auch nur ein Abbild, ein kleiner Schatten dessen sein, was Jesus selbst wirken möchte und tatsächlich auch wirkt. Das gilt besonders für mich als Priester; und nochmals in verdichteter Form, wenn ich die Sakramente spende. Das gilt aber letztlich für alle Getauften: Wir müssen durchlässig für ihn werden, das Unsrige beitragen, dass er hier ankommen kann.

Auf der anderen Seite kann das für mich aber auch eine Entlastung sein: Ich konnte sicher nicht alles schaffen, was ich mir vorgenommen habe oder was von mir erwartet wurde. Ich denke zum Beispiel an geplante Jugendprojekte unter dem Motto "Just DU it", die dann aufgrund der Coronapandemie auf Eis gelegt werden mussten. Manche Samen konnte ich aber vielleicht in die Erde säen, ohne zu wissen, ob und wann sie aufgehen werden. Ich darf jedenfalls darauf vertrauen: Er selbst ist - auch durch mein priesterliches Wirken - am Werk. Und das ist sicher etwas Bleibendes, weil Er der Bleibende ist.

Liebe Brüder und Schwestern!

Noch ein letzter Punkt. Das Volk wird von Josua heute vor die Entscheidung gestellt, wem es dienen will, sprich: ob es das Volk Gottes sein und bleiben will. Ich möchte meinen Abschied zum Anlass nehmen, daran zu erinnern, dass diese Entscheidung auch von jedem von uns täglich neu getroffen werden muss.

Und ich möchte nicht von hier weggehen, ohne auf Maria zu verweisen, die hier als "Mutter der Barmherzigkeit" über uns thront und die uns bei dieser Entscheidung ein großes Vorbild sein kann. Ja, sie hat ihre Entscheidung getroffen: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort." Und sie hält auch uns auf unserem Gnadenbild ihren Sohn entgegen, lädt uns ein, uns für ihn zu entscheiden. So darf ich mich heute auch ganz besonders an sie wenden:

Heilige Maria, Unsere Liebe Frau von Maria Anzbach, du Mutter der Barmherzigkeit!

Dir übergebe ich all mein Wirken hier in unserer Pfarre. 

Lege es deinem Sohn vor, damit er manch kleine Saat aufgehen lasse.

Ergänze mit deiner liebenden Fürsprache, was ich unterlassen habe.

Bitte für mich um Vergebung für manchen Fehler.

Vor allem aber halte weiterhin deine schützende Hand über Maria Anzbach und auch über mein priesterliches Wirken.

Gewähre uns, was unzählige Pilger hier bereits von dir erbeten haben: "Zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes. O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria."

Amen.

Zu den liturgischen Texten




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A