22. Sonntag i. Jkr. - Lj. B - Verabschiedung als Kaplan von Eichgraben

Liebe Brüder und Schwestern!

Vier Jahre sind es, in denen ich nun im Pfarrhof in Eichgraben gewohnt habe. Als ich vor vier Jahren nach Abschluss meines Theologiestudiums als Praktikant in die Pfarren Maria Anzbach und Eichgraben geschickt worden bin, habe ich nicht geglaubt, dass ich so lange hier bleiben werde. Heute ist aber trotzdem, auch wenn es etwas später ist als erwartet, der Sonntag meines Abschieds gekommen. Ein letztes Mal darf ich als Kaplan hier an diesem Ambo das Wort Gottes verkünden und auf diesem Altar das Opfer Christi feiern (auch wenn ich bereits ankündigen darf, dass mein erster Besuch nach meiner Kaplanszeit hier bereits für das Kirchweihjubiläum am 24. Oktober geplant ist).

Es ist ein Anlass für mich zurückzublicken auf die vergangenen Jahre, die sicher prägende Jahre für mich gewesen sind. Viele Begegnungen mit Menschen gehen mir durch den Kopf, feierliche Liturgien, einfache Werktagsmessen fallweise mit nur einer weiteren Person, Familiengottesdienste, Ministrantentreffen, Sitzungen und Besprechungen mit dem Pfarrgemeinderat, mit Kantoren und Organisten (danke besonders euch für die gute Zusammenarbeit!), Vorbereitungstreffen für die Liturgien mit dem Mesnerteam oder mit Frau Anni Stacherl oder mit unserem Joschi Halmschlager, fallweise auch mit Werner Leopoldseder und Martina Crepaz, die mir oft geholfen haben, die Kirche aufzuräumen oder andere Arbeiten zu verrichten - vom Aufstellen der Weihnachtskrippe bis hin zum Ausmisten in der Sakristei. Ich denke an Kinder, die ich hier an diesem Taufbrunnen taufen durfte - auch an dich, lieber D., den ich hier als Erwachsenen heuer getauft und gefirmt habe; für mich persönlich einer der Höhepunkte meines Wirkens als Kaplan; es ist ja nicht selbstverständlich, in seinem zweiten Priesterjahr bereits Firmspender zu sein ... Ich denke an Menschen, die ich auf dem Friedhof in Eichgraben zur letzten Ruhestätte geleitet habe. Meine Gedanken gehen vor allem aber an Sie, liebe Brüder und Schwestern, denen ich Sonntag für Sonntag bei der Feier der hl. Messe begegnen, mit Ihnen feiern, Ihnen die Kommunion reichen und den Segen Gottes erbitten durfte.

In die Zeit meines Wirkens in Eichgraben und Maria Anzbach fallen auch ganz besondere Herausforderungen. Zum einen sind das für mich persönlich die Diakonen- und Priesterweihe - auch hier durfte ich mich getragen wissen vom Wohlwollen und Gebet nicht weniger Pfarrangehöriger. Die Albe, die mir zur Diakonenweihe und der Vespermantel, der mir zur Priesterweihe von der Pfarre Eichgraben geschenkt wurden, werden mich auch gewiss ein Priesterleben lang begleiten. Und zum anderen steht als große Herausforderung, die es zu meistern gegolten hat und die noch immer anhält, die Corona-Pandemie. Mein erstes Osterfest als Priester konnte ich hier im Wienerwalddom mit nur vier physisch anwesenden Gläubigen feiern - auch eine sehr prägende Erfahrung und eine intensiv erlebte Osterliturgie, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Während dem ersten Lockdown, wo es überhaupt nicht erlaubt war, dass Gläubige an den Gottesdiensten teilnehmen, habe ich täglich auf dem Seitenaltar die hl. Messe gefeiert - ebenso sehr einprägsame Momente des Gebets; und, auch wenn es abgedroschen oder kitschig klingen mag, ich habe gespürt, dass ich dabei nicht allein war (und nicht nur, weil du, liebe Anni, trotzdem immer irgendwo in der Kirche warst).

Ganz sicher könnte man noch vieles sagen oder andeuten über die vergangenen vier Jahre. Doch der heutige Tag soll nicht nur ein Tag der Rückschau sein. Wir dürfen auch gemeinsam in die Zukunft blicken. Wir stehen noch immer im Vorbereitungsjahr auf das 70-jährige Kirchweihjubiläum unserer Pfarrkirche; und, wie bereits angedeutet, darf ich am 24. Oktober zu diesem Anlass als Festprediger nach Eichgraben zurückkehren. Wenn wir also in die Zukunft blicken, dann ist das sicher einerseits immer ein ungewisser Ausblick: Wie wird es werden? Wie wird es mit der Pfarre Eichgraben weitergehen? Ja, auch wie wird es mir persönlich mit neuen Aufgaben und Herausforderungen als Kaplan in Scheibbs und Student in München gehen? Andererseits ist eines sicher: Zukunft bedeutet auch Veränderung. Es kann auch ungesund und hemmend sein, wenn man immer nur an der Vergangenheit hängt - seien es die letzten vier Jahre, sei es die Zeit des Kirchenbaus unter Josef Seiwald, sei es das blühende Pfarrleben unter Gerhard Anderle oder sonst etwas. - Und dieser Gedanke, liebe Brüder und Schwestern, bringt mich zum heutigen Evangelium, von dem ich heute anlässlich meines Abschieds einen Satz herausgreifen möchte:

"Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen."

So sagt Jesus zu den Pharisäern, die auf die äußerliche Einhaltung von alten Speisevorschriften beharren. Nicht dass Jesus gegen die Gebote und Vorschriften des Alten Bundes etwas hätte! Ganz im Gegenteil, er selbst sagt ja einmal, dass kein Jota und kein Häkchen davon verändert werden. Aber er überführt diese Vorschriften als leer, wenn sie nicht als "Gottes Gebot", sondern als "Überlieferung der Menschen" betrachtet werden. Es geht ihm um den Sinn, der hinter all diesen Dingen steht.

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Eichgrabner!

Was möchte ich damit sagen, wenn ich das bei meinem Abschied so betone? Nun, Zukunft bringt Veränderung, das ist ganz natürlich. Und manchmal kann Veränderung auch etwas Beunruhigendes sein. Ich wünsche Ihnen in solchen Situationen, die vielleicht nicht morgen oder im nächsten Monat auftauchen werden, die es aber sicher auch für die Pfarre Eichgraben geben wird, die Gabe der Unterscheidung: Was ist zeit- und umstandsbedingte Zutat - Überlieferung der Menschen; und was ist das Entscheidende - Gebot Gottes? Halten wir uns nicht damit auf, an Oberflächlichem festzuhalten, sondern konzentrieren wir uns auf das Wesentliche! Das kann zugegebenermaßen auch etwas Flexibilität und Kreativität von Ihnen verlangen; etwa wenn es irgendwann nicht mehr möglich sein wird, sowohl in Eichgraben als auch in Maria Anzbach die Sonntagsmesse zu feiern und Mobilität von den Gläubigen gefordert sein wird. Aber es lohnt sich sicher mehr, die Kräfte dafür einzusetzen als Fassadenmalerei zu betreiben.

Schließlich und endlich zeigt uns die zweite Lesung des heutigen Sonntags eine Konstante auf, die über jeder Veränderung steht und die uns - Ihnen und mir - so Sicherheit geben kann:

"Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, vom Vater der Gestirne, bei dem es keine Veränderung oder Verfinsterung gibt."

Freilich fordert auch der Jakobusbrief seine Leser dann auf:

"Werdet ... Täter des Wortes und nicht nur Hörer"

Liebe Brüder und Schwestern!

Das ist mein Wunsch für mich selbst, für die Pfarre Eichgraben, für jeden einzelnen: Dass wir es lernen, bei aller Ungewissheit und Veränderung, die es geben mag, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden und dann fest entschlossen nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes zu sein!

In diesem Sinne möchte ich mir als Abschiedswort die Worte von Pfarrer Franz Halbartschlager zueigen machen, die er 1985 in seinem letzten Pfarrblatt an die Pfarre Eichgraben gerichtet und in denen er, denke ich, etwas Wesentliches erkannt hat:

"Ich gehe mit der Zuversicht von hier weg, dass der Aufbruch zu einer Gemeinschaftsbildung in der Pfarre [und ich möchte ergänzen, dass wir Pfarre in Zukunft vielleicht großräumiger denken müssen] vorangehen wird."

Zu den liturgischen Texten

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