Dreifaltigkeitssonntag - Lj. C (Vatertag)

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Der zweite Sonntag im Juni wird in Österreich als Vatertag begangen. So trifft es sich, dass das heutige Hochfest der allerheiligsten Dreifaltigkeit mit dem Gedenk- und Ehrentag für unsere Väter zusammenfällt. - Eine nicht ganz unpassende Fügung.

Wenn wir den Begriff "Vater" anschauen, dann kann man nämlich Vater immer nur in Bezug auf jemanden - seinen Sohn oder seine Tochter sein. Und auch wenn wir andere Menschen neben unserem biologischen Vater als "Vater" anreden, dann deshalb weil wir bzw. eine Institution in irgendeiner Relation bzw. Abhängigkeit zu ihnen stehen: Der Doktorand hat seinen Doktorvater, unter dessen Betreuung und Begutachtung er seine Dissertation verfasst; der Benediktinerorden nennt seinen Ordensgründer den "hl. Vater Benedikt"; Karl der Große wird bisweilen als "pater Europae" - "Vater Europas" bezeichnet"; usw.

Wir können also festhalten: "Vater" ist genauso wie "Mutter", "Sohn" und "Tochter" ein relationaler Begriff. Er drückt aus, dass der so Benannte zum Benennenden in bleibender Beziehung steht, dass der Benennende von ihm in irgendeiner Weise abhängig ist. Insofern dürfte es eigentlich nichts Besonderes sein, wenn wir auch Gott "Vater" nennen und damit zum Ausdruck bringen, dass wir von ihm abhängen.

Und doch wage ich zu behaupten: Das Christentum ist die einzige Religion, die sich über diese Benennung Rechenschaft gibt. Zwar wird Gott hin und wieder auch in anderen Religionen in der Vaterrolle gesehen - etwa in verschiedenen heidnischen Mythen, denken wir nur an den griechischen Göttervater Zeus, oder auch besonders in manchen Bildworten des Alten Testaments - aber irgendwie hängt diese Bezeichnung in der Luft, steht sie neben anderen Bildern. Etwas reflektierter ausgedrückt: Diese Bezeichnung will in den anderen Religionen keine Auskunft über Gott geben, sondern über seine Beziehung zum Menschen (oder besser gesagt: des Menschen zu ihm). Das christliche Gottesbild geht einen Schritt weiter - und das ist das Festgeheimnis des heutigen Tages und das innerste Geheimnis unseres Glaubens: Gott selbst ist in sich Vater, was voraussetzt, dass es in ihm selbst Beziehung gibt, dass es den Sohn gibt, den er in ewiger Liebe zeugt und der sich in liebender Hingabe im Heiligen Geist an ihn zurückwendet.

Liebe Brüder und Schwestern!

Jetzt könnten Sie natürlich einwenden, dass das ja irrelevant ist. Was kümmert es uns, wie Gott in sich ist? Kommt es nicht eben doch darauf an, dass er zu uns in Beziehung tritt bzw. wir zu ihm? - Provokant gefragt: Braucht es die Rede von der Dreifaltigkeit Gottes - von den ewigen Beziehungen in Gott, die sein eigenes Wesen ausmachen - überhaupt?

Nun, ich möchte hier nicht rein theoretisch antworten. Stellen wir uns vor, es gäbe einen Menschen, der gleich nach seiner Geburt von seinen Eltern getrennt wird und völlig abgeschieden von allem aufwächst - einmal abgesehen davon, dass der Mensch gar nicht ohne Beziehung zu anderen lebensfähig ist. Wäre solch ein Mensch überhaupt beziehungsfähig?

Oder eine andere Frage: Käme solch ein Mensch auf die Idee, dass es außer ihm selbst überhaupt etwas geben könnte? Hätte er überhaupt Bedarf an etwas anderem außerhalb seiner selbst?

Und noch eine andere Fragerichtung, falls wir vielleicht sagen: Ja, er muss tief in sich doch eine Einsamkeit spüren und ein Verlangen nach Außenwelt. - Wie wäre das Verhältnis zu dieser Außenwelt, wenn er sie eines Tages entdeckt? Würde nicht seine Umwelt in gewisser Weise zu seinem "Erlöser"? Würde sie ihm nicht etwas schenken, das er vorher nicht gehabt hätte? Wäre er nicht unendlich reicher als zuvor?

Und nocheinmal anders gefragt: Was könnte dieser einsame, vermutlich verbitterte, verschreckte und verkümmerte Mensch seinen Mitmenschen anbieten?

Vielleicht ahnen Sie bereits, worauf ich mit diesen komischen Fragen hinaus möchte. Ist es wirklich denkbar, dass ein Gott, der ein einsamer Gott ist, ein sich vollkommenes, ewig stillstehendes Wesen - dass solch ein Gott eine Welt erschafft, zu der er noch dazu Beziehungen unterhält?

Und falls ja: Was wäre er dann für ein Gott? Wäre er wirklich vollkommen, wenn er durch die Erschaffung der Welt etwas dazugewinnt? Und was hieße das für die Welt? Ist die Welt dann nur dazu da, um die ewige Einsamkeit Gottes zu durchbrechen? Hat die Welt nur den Zweck, Gott aus seiner ewigen Langeweile zu befreien und zu unterhalten? - Wir merken: Nein, solch ein in sich beziehungsloser Gott kann nicht der Gott sein, der uns in der Bibel begegnet.

Liebe Brüder und Schwestern!

Wenn wir Gott als dreifaltigen Gott bekennen, bekennen wir uns gleichzeitig dazu, dass er die Welt, dass er jeden einzelnen von uns um seiner selbst willen gewollt und erschaffen hat. Wir sind für ihn nicht ein Mittel zum Zweck, sondern Ausdruck seiner ewigen Liebesbeziehung, die sich in seinem innersten Wesen zwischen Vater und Sohn im Heiligen Geist ereignet. Der Theologe Hans Urs von Balthasar spricht daher bildlich davon, dass die Schöpfung "im Sohn" ihren genuinen Ort hat. Anders gesagt: Das Ziel der Welt liegt nicht darin, Gott zu unterhalten, indem sie Beziehung zu ihm pflegt. Sondern umgekehrt ist es Gott, der uns aus reiner Liebe, die er selbst ist, an seiner ewigen Liebesbeziehung, an seinem göttlichen Leben, teilhaben lässt.

Vielleicht klingt das alles sehr theoretisch, aber ich denke doch, dass wir erahnen dürfen, wie schön es ist, an einen Gott glauben zu können, der in sich Beziehung, Liebe und Leben ist.

So dürfen wir heute einen "doppelten" Vatertag feiern. Wir dürfen dankbar an unsere Väter denken, die uns durch unser Leben begleiten oder begleitet haben. Und wir dürfen mit Jesus im Heiligen Geist Gott unseren Vater nennen; dürfen wissen, dass er uns begleitet, zu uns in Beziehung tritt, uns wirklich um unserer selbst willen liebt und am Leben erhält und will, dass wir auf ewig in dieser seiner väterlichen Liebe geborgen sind.

Zu den liturgischen Texten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A