12. Sonntag i. Jkr. - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im Religionsunterricht in der Volksschule habe ich den Kindern immer wieder die einfache Merkregel nahegelegt: "Beten = Reden mit Gott." Und ich habe hinzugefügt, dass man Gott wirklich alles sagen kann, was man auf dem Herzen hat. Natürlich ist es so, dass man nicht immer genügend "Gesprächsstoff" für dieses persönliche Reden mit Gott parat hat; und dann ist es gut und richtig, auf vorformulierte Gebete zurückzugreifen. Wir kennen die verschiedenen Gebete der christlichen Tradition, neuere und ältere Texte. Auch die hl. Schrift enthält ein ganzes Buch mit uralten Gebets- bzw. Liedtexten, nämlich das Buch der Psalmen. Für jede hl. Messe ist als Antwort auf die erste Lesung eigentlich vorgesehen, dass eines dieser alten Gebete, ein Psalm, vorgetragen wird, dass wir uns - als Antwort auf die Lesung aus der hl. Schrift mit den Worten der hl. Schrift selbst in die große Schar der Menschen hineinstellen, die sich diese Worte im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende zueigen gemacht haben.

Ich möchte heute einmal unsere Aufmerksamkeit auf den Text des heutigen Antwortpsalmes lenken, der - wie soeben angedeutet - ja mehr sein will als eine musikalische Einlage zwischen zwei Lesungen, sondern selbst biblische Verkündigung (weshalb er eigentlich nur im absoluten Ausnahmefall durch irgendeine Liedstrophe ersetzt werden darf). - Aber genug der Vorbemerkung. Schauen wir etwas auf den Text des Pslames, der heute vorgetragen wurde. Es ist der 63. Psalm nach der hebräischen Zählung dieser uralten Gebete.

"Gott, mein Gott bist du, dich suche ich" - das ist der Grundtenor dieses Psalms, den wir als ein Gebet der Sehnsucht nach Gott bezeichnen könnten. Ja, wenn Beten ein Reden mit Gott bedeutet, dann ist diese Sehnsucht gleichsam eine Grundvoraussetzung jedes Betens: nämlich die Vergewisserung meines Gegenübers; die Sehnsucht nach Gott, die wir hier in Worte fassen, will uns sensibel dafür machen, dass unser Gebet nicht ins Leere läuft. Oder anders gesagt: Wer betet, hofft und sehnt sich danach, dass seine Worte bei jemandem, bei Gott, auch tatsächlich ankommen.

"Gott, mein Gott bist du, dich suche ich" - dieser Grundgedanke wird im Psalm aber nicht nur mit Worten ausgedrückt, etwa mit einem lauten Hilfeschrei, der zu Gott dringen soll. Der Text unserer Gebetsvorlage bezieht den ganzen Menschen mit ein. Da ist davon die Rede, dass Seele und Leib, dass der ganze Mensch, "Durst" hat nach Gott: "es dürstet nach dir meine Seele. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser." Wenn man bedenkt, dass das hebräische Wort für "Seele" gleichzeitig auch "Kehle" heißen kann, gewinnt das Bild von der dürstenden Seele noch mehr an Anschaulichkeit. Der Text spricht weiter vom Aussicht-Halten, vom Preisen und Rühmen, vom Erheben der Hände (also vom Sich-nach-Gott-Ausstrecken), vom Jubeln und Nachdenken, vom Sich-an-Gott-Klammern, davon, dass seine Rechte den Beter festhält. Ja, Beten ist Reden mit Gott; aber diese Rede begnügt sich nicht nur mit Worten. Wenn wir heute viel von non-verbaler Kommunikation reden, wenn wir wissen, dass Gestik, Mimik und andere Ausdrucksweisen ganz wesentlich zur Kommunikation dazugehören, wenn deshalb sogar für die schriftliche Kommunikation Emojis, Sticker u.ä. eingeführt werden, dann gilt das auch für das Gebet: Auch die leibhaftigen Regungen wie Hunger und Durst, Ausschau-Halten, Hände-Erheben u.dgl. dürfen Ausdruck unserer Kommunikation mit Gott sein.

Somit dürfen wir mit Ps 63 aber sagen: Beten beginnt nicht erst dort, wo Menschen viele Worte machen, sondern bereits da, wo sie sich - in ganz unterschiedlichen Ausdrucksformen - nach ihm sehnen, wo sie voll Hoffnung sind, dass jemand da ist, an den sie sich wenden dürfen, der für sie in ihren Ängsten, Sorgen und Nöten ist wie frisches Wasser für die ausgetrocknete Kehle. - Und in diesem Sinne gibt es heutzutage sicher viele betende Menschen. Diese Sehnsucht, von der Ps 63 spricht, können wir bei vielen unserer Zeitgenossen feststellen, die mit Gott und der Kirche auf den ersten Blick gar nichts am Hut haben. Yoga, Meditation, Energiesteine, ... - ohne all diese Phänomene im einzelnen bewerten zu wollen (da gibt es tatsächlich einiges, was man aus gläubiger Sicht kritisch dazu anmerken könnte und müsste), können wir die Hochblüte solcher Dinge doch als Ausdruck der tiefen Sehnsucht des Menschen ansehen, die nur darauf wartet, dass sie von jemandem erfüllt wird. Freilich müssen wir sagen: In all diesen Dingen wird man die letzte Erfüllung nicht finden können, weil sie in der Begegnung mit einem Du liegt, weil sie Gottes-Begegnung ist.

Liebe Brüder und Schwestern!

Beten = Reden mit Gott. Praktizieren wir das? Wie sieht es mit unserer Sehnsucht nach Gott aus? Können wir mit den Worten von Ps 63 zu ihm sagen: "Ja, du wurdest meine Hilfe, ich juble im Schatten deiner Flügel"? Wenn Jesus heute im Evangelium die Jünger fragt: "Für wen haltet ihr mich?" - würden wir da die Antwort geben können: "Für die Erfüllung meiner tiefsten Sehnsüchte"?

Das Stundengebet der Kirche stellt Psalm 63 an den Festtagen des Jahres an den Beginn der Laudes, ihres Morgengebets. Das kann sicher auch eine Einladung an uns sein, am Beginn eines Tages darüber nachzudenken: Wonach sehne ich mich? Was ist mein Verlangen für den heutigen Tag? Was erwarte ich von Gott? - Vielleicht könnten wir tatsächlich hin und wieder mit den uralten Worten dieses Gebetes sprechen:

"Gott, mein Gott bist du, dich suche ich, es dürstet nach dir meine Seele. Nach dir schmachtet mein Fleisch wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser. Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, zu sehen deine Macht und Herrlichkeit. Denn deine Huld ist besser als das Leben. Meine Lippen werden dich rühmen. So preise ich dich in meinem Leben, in deinem Namen erhebe ich meine Hände. Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele, mein Mund lobt dich mit jubelnden Lippen. Ja, du wurdest meine Hilfe, ich juble im Schatten deiner Flügel. Meine Seele hängt an dir, fest hält mich deine Rechte." Amen.

Zu den liturgischen Texten

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