"Für uns Menschen ..." - 1700 Jahre Glaubensbekenntnis von Nizäa

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich möchte heute die Betrachtung des Großen Glaubensbekenntnisses, das wir in diesem Jubiläumsjahr Sonntag für Sonntag sprechen, fortsetzen. Nachdem ich vor zwei Wochen in Weistrach und Kürnberg über das "Wir glauben" und vergangene Woche in Ertl und St. Peter über "Gott von Gott, Licht vom Licht" gesprochen habe, komme ich heute zum langen zentralen Abschnitt über das Leben Jesu, der eingeleitet wird mit den Worten "Für uns Menschen und zu unserem Heil".

"Für uns" - das erscheint als knappe Zusammenfassung des Lebens Jesu und ich möchte versuchen, in drei Schritten ein wenig auf die Bedeutung dieser Glaubensformel einzugehen:

1. Gott bleibt nicht "für sich"

2. Gott macht sich zum Geschenk

3. Das "Für uns" als Stellvertretung


1. Gott bleibt nicht "für sich"

Die Wendung "Für uns" erscheint im Glaubensbekenntnis nach den Aussagen über das Wesen Jesu als "Gott von Gott", "Licht vom Licht" und "eines Wesens mit dem Vater", also nach der Beschreibung des innergöttlichen Lebens: Gott, der in sich nicht ewige Einsamkeit, sondern Beziehung, ewiger Liebesaustausch zwischen Vater und Sohn (im Heiligen Geist) ist. Gott ist demnach "für sich" genommen schon einmal nicht ein beziehungsloses Wesen, sondern sein innerstes Wesen, er selbst ist Beziehung, ist Austausch, ist Liebe, ist Leben. Aber Gott bleibt all das eben nicht nur für sich. 

Bereits der erste Satz des Glaubensbekenntnisses bekennt Gott Vater als den, "der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt". Bereits mit der Schöpfung geht Gott aus sich hinaus. Er ist nicht nur Beziehung in und für sich, sondern schafft eine Welt, zu der er auch in Beziehung steht, mit der er kommuniziert und in der er sich besonders dem Menschen selbst erfahrbar macht. In ganz besonderer Weise drückt sich dieses "nicht-für-sich-Bleiben" Gottes im Leben Jesu Christi aus, in dem das ewige Gegenüber zu Gott Vater - Gott, der Beziehung ist, selbst - Teil der Welt wird, die Beziehung zum Menschen auf Augenhöhe sucht. 

Und wie es das innergöttliche Leben des Sohnes ist, dass er als Gegenüber zum Vater sich von ihm unterscheidet und sich liebend ihm zuwendet - eben ein echtes Beziehungsgeschehen - so ist es auch in seinem Leben als Mensch auf Erden: Er kommt vom Himmel herab (in der lateinischen Version: descendit de caelis) und er kehrt nach dem Ende seines irdischen Lebens wieder dorthin zurück (ascendit in caelum). Gott bleibt also nicht nur "für sich", sondern das innergöttliche Leben, die ewige Beziehung zwischen Gott Vater und Gott Sohn (im Heiligen Geist) wird "für uns Menschen" sichtbar und erfahrbar im Leben Jesu Christi.


2. Gott macht sich zum Geschenk

Das "Für uns" enthält aber noch mehr als eine reine Darstellung des innergöttlichen Lebens in der geschaffenen Welt. Es geschieht auch "zu unserem Heil", das heißt: Es wird auch uns etwas dadurch geschenkt.

Gott zeigt uns nicht nur sein inneres Wesen, das Liebe und Beziehung ist, sondern er lässt uns daran teilhaben. Er bezieht uns ein in die "Bewegung" des Sohnes vom Himmel herab und in den Himmel hinauf. Das "descendit" und "ascendit" ist etwas, das wir mitvollziehen dürfen. Wir unterscheiden uns von Gott, wir sind nicht selbst Gott - wie der Sohn nicht der Vater ist, und wie er vom Himmel herabkommt; aber er nimmt uns auch mit in seiner Aufwärtsbewegung hin zum Vater, er lässt uns Gott nahekommen.

So ist sein Leben, in dem sich das Wesen Gottes selbst ausdrückt, ein großes Geschenk an uns. Gottes innerstes Leben - eben Gott selbst - erscheint auf Erden nicht nur als Darstellung, sondern ganz real, sozusagen zum Anfassen. Er behält nichts von sich zurück, sondern gibt sich ganz hinein in die Beziehung zur Welt und zum Menschen. Sein innerstes Leben - er selbst - ist das große Geschenk für uns. An uns liegt es nur noch, dieses Geschenk auch anzunehmen.


3. Das "Für uns" als Stellvertretung

Darin, dass Gott sich zum Geschenk macht, das wir annehmen dürfen und sollen, liegt auch der tiefste Sinn dessen, was manchmal mit dem Wort "Stellvertretung" genannt wird. Jesus "wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden", wie wir im Glaubensbekenntnis bekennen. Und wir glauben, dass dieses "für uns" heißt, dass er all das stellvertretend für uns auf sich genommen hat. Allerdings nicht so, dass Gott Vater Rache für die Sünde des Menschen nehmen will und diese Rache stellvertretend für uns Menschen an seinem Sohn auslebt - das wäre in der Tat ein sehr verstörendes Gottesbild. Aber doch so, dass der Sohn auch die tiefsten Abgründe des Menschseins annimmt, dass er ganz an unsere Stelle tritt und nichts von dem ausspart, was in einem Menschenleben - auch als Folge der Sünde, das heißt: der Gottlosigkeit - passieren kann, bis hin zu Leid und Tod. Er steht ganz an unserer Stelle - und nimmt so auch die Abgründe des Menschseins hinein in das Gegenüber zu Gott, das er ja in Person ist; und nimmt so auch die Abgründe des Menschseins mit hinein in seine Aufwärtsbewegung zum Vater, führt auch die Abründe des Menschseins in die Nähe Gottes, erlöst uns so auch unserer Gottverlassenheit und sagt uns auch in den Extremsituationen von Leid und Tod diese Nähe Gottes zu.

Gott selbst steht an unserer Stelle, das heißt: er steht uns zur Seite - das ist wohl die tiefste Bedeutung von Stellvertretung im Sinne des "für uns" aus dem Glaubensbekenntnis.


Liebe Brüder und Schwestern!

Man könnte gewiss noch vieles über das "Für uns" sagen. Ich möchte es für heute einmal dabei belassen und hoffe, dass wir über diese beiden Worte nicht immer ganz leicht hinweglesen, denn sie haben es in sich: Gott ist ein Gott nicht nur "für sich", sondern "für uns". Er zeigt uns das im Leben Jesu. Aber er zeigt es uns nicht nur, sondern er tritt selber an unsere Seite, er nimmt uns mit in seine Nähe. Er ist ein Gott "für uns", weil wir es ihm wert sind. Mehr als wir darüber reden können, dürfen wir wohl darüber staunen und uns freuen, was Gott "für uns Menschen und zu unserem Heil" ist und tut.

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