"Und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" - 1700 Jahre Glaubensbekenntnis von Nizäa
Liebe Brüder und Schwestern!
In der Betrachtung einzelner Artikel des Großen Glaubensbekenntnisses, die ich ja dieses Jahr jeden Sonntag in der Fastenzeit halten möchte, bin ich mittlerweile bei jenem Teil des Bekenntnisses angekommen, der nicht direkt auf das Konzil von Nizäa vor 1700 Jahren zurückgeht, sondern erst ein wenig später, im Jahr 381 beim ersten Konzil von Konstantinopel hinzugefügt worden ist. Und da stehen nach den Aussagen über Gott, den Heiligen Geist, bzw. besser gesagt damit verbunden, einige Artikel über die Kirche. Die Kirche wird im Glaubensbekenntnis mit den vier sogenannten notae ecclesiae beschrieben (1) als eine, (2) als heilige, (3) als katholische und (4) als apostolische. Auf diese vier Beschreibungen der Kirche möchte ich heute etwas eingehen.
Zuvor aber noch ein Wort dazu, dass die Kirche überhaupt im Glaubensbekenntnis vorkommt. Was heißt es, sich zur Kirche zu bekennen? Nun, wenn ich nicht zu viele Worte dazu verlieren möchte, kann ich einfach auf das Zusammenspiel der Formeln "Ich glaube" - Glaube als etwas ganz Persönliches, das sich zwischen mir und Gott abspielt - und "Wir glauben" - gemeinsamer Glaube als gemeinschaftsbildende und gemeinschaftsfördernde Größe - verweisen, über das ich am 1. Fastensonntag in Weistrach und Kürnberg gesprochen habe. Die Kirche ist also einerseits rein pragmatisch auch Inhalt des Glaubensbekenntnisses, weil wir als Gemeinschaft, eben als Kirche dieses Bekenntnis sprechen.
Aber sie ist noch aus einem tieferen Grund auch Inhalt des Glaubens, nämlich weil sie nicht nur eine nachträgliche Größe ist, die aus ihren einzelnen Mitgliedern besteht, die sich nach Art eines Vereins zusammenschließen, sondern die Kirche ist als solche direkt von Christus gewollt - das wird an mehreren Stellen der hl. Schrift deutlich. Jesus hat nicht nur einzelne Menschen in seine Nachfolge gerufen, sondern er hat die Kirche als feste Institution gegründet, die so in gewisser Weise als solche sein Werk auf Erden weiterführt. Jesus Christus und Kirche gehören zusammen. Kirche ist nicht nur Gemeinschaft zwischen Menschen, sondern sie verbindet uns unmittelbar mit Christus, weil er in ihr selbst gegenwärtig ist.
Und wie das zu verstehen ist, dazu wollen die vier kurzen Beschreibungen, die notae ecclesiae, des Glaubensbekenntnisses uns Hilfestellungen sein.
1. Die Kirche ist eine
Die Einheit der Kirche gilt seit jeher als eines ihrer Wesensmerkmale. Bereits der hl. Paulus wendet sich im ersten Korintherbrief gegen Parteiungen innerhalb der christlichen Gemeinde, wo einige zu Apollos halten wollen, andere zu Paulus, usw. Und Paulus stellt da provokant fest: Wenn ihr so denkt, wenn ihr untereinder konkurriert, wer die "besseren" Christen sind, dann ist das nicht mehr Kirche. "Ist denn Christus zerteilt?", fragt er.
Dass es durch die verschiedenen Streitigkeiten und auch Missverständnisse im Laufe der Geschichte verschiedene Gruppierungen und Konfessionen gibt, die sich zu Christus bekennen, aber nicht in Einheit miteinander stehen, ist eine der tragischsten Entwicklungen in der Geschichte des Christentums.
Wenn Kirche wirklich den Anspruch erhebt, fortlebender Christus zu sein, die Verbindung mit dem einen Christus zu fördern und zu ermöglichen, dann kann sie nicht uneins sein! Ohne hier viel dazu zu sagen, möchte ich einfach die Frage stellen: Was tun wir für die kirchliche Einheit innerhalb der katholischen Kirche? In der Pfarre, im Pfarrverband, in der Diözese? Lassen wir verschiedene Meinungen zu, die sich im Rahmen des gemeinsamen Glaubens bewegen? Halten wir den Gedanken aus, dass der andere mit seiner Spiritualität, die mir persönlich vielleicht überhaupt nicht zusagt, auch mit dem einen Christus in Beziehung steht und insofern auch Glied der einen Kirche ist? - Ich denke, wenn wir uns diesen Fragen nicht stellen, brauchen wir die großen Fragen von Ökumene zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen gar nicht erst anzugehen.
2. Die Kirche ist heilig
Ein Satz, mit dem viele Menschen heute vielleicht zurecht ihre Probleme haben. Wie kann eine Gemeinschaft, in der so viel Schlimmes passiert - und das muss man leider so feststellen, noch bevor man das traurige Thema Missbrauch überhaupt anspricht - wie kann eine solche "unheilige" Gemeinschaft von sich behaupten, die "heilige Kirche" zu sein?
Ein erster Ansatz: Was heißt Heiligkeit überhaupt? Religionsgeschichtlich ist das Heilige das, was sich vom Profanen, vom alltäglichen Gebrauch abhebt. Das Heilige ist das, was die Menschen mit dem Göttlichen in Beziehung bringt. Wenn etwas "geheiligt" wird, dann geschieht das in den verschiedenen alten Religionen durch aufwendige Zeremonien und Rituale. Die "geheiligten" Gegenstände sind dann eben nicht mehr profan, gehören nicht mehr zur Sphäre des Alltäglichen und Gewöhnlichen, sondern sollen irgendwie den Graben zwischen menschlicher und göttlicher Welt überbrücken. - Wenn man das auf das Christentum anwendet, müssen wir sagen: In diesem eigentlichen Sinn gibt es für uns nichts Heiliges, außer Jesus Christus selbst, der im Johannesevangelium im sogenannten "Hohepriesterlichen Gebet" sogar sagt: "Ich heilige mich für sie". Er ist der "Heilige", der, der uns mit Gott verbindet, weil er - anders als irgendwelche Gegenstände wie in den heidnischen Religionen - selbst Gott ist. Und gleichzeitig ist er ganz Mensch, ist er also nicht nur "sakral", sondern auch "profan", überwindet er das religionsgeschichtliche Entweder-Oder von Sakralität und Profanität und kann so tatsächlich Gott und Menschen verbinden. Also in Christus sehen wir in einem doppelten Sinn das alte Konzept von Heiligkeit überhöht und endgültig erfüllt.
Wenn wir nun aber nicht nur Jesus Christus als "heilig" bezeichnen, sondern dieses Attribut auch anderen Größen zuschreiben, dann deshalb, weil wir glauben, dass diese mit ihm in Beziehung stehen. Und ist es nicht eigentlich ein großartiger Gedanke, dass die Kirche trotz all ihrer menschlichen Fehler und Schwächen die "heilige Kirche" ist, das heißt: eine Gemeinschaft, die in so engem Kontakt mit Jesus Christus, dem einzig wirklich "Heiligen", steht, dass nichts, auch nicht die tiefsten Abründe, sie von ihm trennen kann?
3. Die Kirche ist katholisch
"Katholisch" ist hier nicht als Bezeichnung einer Konfession, etwa im Gegensatz zu "evangelisch" oder "orthodox" zu verstehen. Die Kirche ist schon als "katholisch" bezeichnet worden, als es diese verschiedenen Denominationen noch gar nicht gegeben hat. Schon alleine deshalb kann das gar nicht gemeint sein, wenn man sich im Glaubensbekenntnis zur "katholischen Kirche" bekennt.
"Katholisch" ist abgeleitet vom griechischen καθολικός, das man übersetzen könnte mit "das, was das Ganze betrifft". Das heißt, wenn man sich zur katholischen Kirche bekennt, könnte man das etwas moderner formuliert, so interpretieren: Ich bekenne mich zu einer Kirche, die "aufs Ganze" geht. Und das wiederum könnten wir in zwei Richtungen verstehen:
- Die Kirche ist eine Gemeinschaft, die die ganze Welt umspannt. Sie ist, auch wenn sie konkret an einem Ort gelebt wird, nicht in der Diözese St. Pölten eine andere als in Wien, Köln, New York oder Kinshasa. Die Kirche als weltumspannende Gemeinschaft - das ist die klassische Bedeutung von "katholisch" im Sinne des Glaubensbekenntnisses. Und sie kann das eben sein, weil Christus selbst die ganze Welt umfasst, gleichsam auf dem Kreuz seine Arme ausbreitet und alle Menschen umarmt.
- Und die Kirche ist auch katholisch, aufs Ganze gehend, weil sie nichts vom Menschsein ausklammert. Der ganze Mensch wird von ihr umfangen und ernstgenommen, nicht nur ein Teil davon. Ein Verein, dem man angehört, kann auch große Teile eines Menschen in Beschlag nehmen, besonders in zeitlicher Hinsicht. Aber wirklich das ganze Leben bestimmen wird ein Verein nicht (und wenn es so wäre, dann sollte man sich gut überlegen, ob man an diesem Zustand nicht etwas ändern sollte). Jesus Christus hingegen will uns tatsächlich als Ganze - auf griechisch καθ' όλον, eben "katholisch" - umfangen, nichts an uns ist von seiner Liebe ausgenommen. Und so darf auch die Kirche als "katholische Kirche", die sich von Jesus Christus her versteht, nicht nur keinen einzigen Menschen ausschließen, sondern darf auch keinen einzigen Aspekt am Menschsein als solchem und am Dasein jedes konkreten Menschen ausblenden, sondern muss dem Menschen, um ein modernes Wort zu gebrauchen, ganzheitlich dienen.
4. Die Kirche ist apostolisch
Das heißt einerseits, dass die Kirche sich auf die Apostel zurückführt, die von Jesus selbst in seine Nachfolge gerufen worden sind und die ihrerseits durch Handauflegung Nachfolger eingesetzt haben. Diese Kette der Handauflegungen, so glauben wir, setzt sich eben fort bis heute, wenn wir die Bischöfe als die Nachfolger der Apostel bezeichnen. Die Apostolizität der Kirche meint von daher, dass die Kirche heute mit der Kirche von vor 2000 Jahren identisch ist und auch mit der Kirche identisch ist, die wir in 2000 Jahren hier auf Erden vorfinden werden. Weil Christus derselbe ist, "gestern heute und in Ewigkeit", wie es in der hl. Schrift heißt, muss auch die Kirche, wenn sie sich von ihm her versteht, im Wesentlichen dieselbe sein und bleiben.
Apostolizität beinhaltet anderseits aber noch einen anderen Aspekt, den Papst Franziskus gerne hervorhebt. Denn dass die Jünger Jesu "Apostel", das heißt "Gesandte" genannt werden, kommt ja auch nicht von ungefähr. Die Apostel und mit ihnen die Kirche auch heute ist gesandt, sie hat einen Auftrag, eine Mission, nämlich die Frohe Botschaft von Jesus Christus zu allen Menschen zu bringen. Und in gewisser Weise hat sie nicht nur diese Mission, sondern ist sie diese Mission.
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich denke, ich habe jetzt schon lange genug geredet. Es gäbe sicher noch vieles zu sagen. Aber ich hoffe, dass ich eine kleine Ahnung in Ihnen aufkommen lassen konnte von dem, was es heißt, sich zu der "einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche" zu bekennen. Und noch wichtiger, als über diese vier notae ecclesiae zu reden, ist es ohnehin, sie zu leben. So wollen wir also
- selber dazu beitragen, dass wir - bei aller Verschiedenheit - geeint sind um Jesus Christus,
- uns trotz unserer menschlichen Schwäche uns von seiner Heiligkeit anstecken und uns von ihm Gott nahebringen lassen,
- niemanden von unserer kirchlichen Gemeinschaft ausschließen und nichts von dem, was unser Leben ausmacht, zurückhalten
- und uns hineinstellen in die lange Geschichte dieser Gemeinschaft, in der auch wir von Jesus her einen wichtigen Auftrag zu erfüllen haben.
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