13. Sonntag im Jk. -Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Jeder von uns hat wahrscheinlich schon Situationen erlebt, von denen er sagen würde: Das ist mir nahegegangen; das hat mich berührt.
Ich glaube, auch das Evangelium des heutigen Sonntags kann solch eine "berührende" Geschichte sein.
Wer wäre nicht angerührt vom Tod des Mädchens und von dem verzweifelten Versuch des Vaters, das Leben seiner sterbenden Tochter doch noch zu retten! Wem würde es nicht nahegehen, wenn Jesus ihr das Leben neu schenkt!
Dazwischen wird aber noch eine andere Begebenheit erzählt, die für Jesus auch eine buchstäblich "berührende" Situation gewesen ist.


"Wer hat mich berührt?", so fragt er. "Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen und da fragst du: Wer hat mich berührt?" - Die Antwort der Jünger können wir wahrscheinlich nur allzugut nachvollziehen.
"Wer hat mich berührt? " - Der hl. Johannes Chrysostomus, ein großer östlicher Theologe des 4. Jahrhunderts, kommentiert die angesichts der Situation seltsam anmutende Frage Jesu folgendermaßen:
"Der Herr hatte aber gefragt: 'Wer hat mich berührt?', das heißt mit Überlegung und Glaube, denn die, die sich aus der Menge um mich drängen, berühren mich nicht, weil sie nicht mit Glaube und Überlegung zu mir kommen."
"Wer hat mich berührt?" - Es geht Jesus gemäß dieser Auslegung nicht um die physische Berührung seines Gewandes. Solche Berührungen hat es in der Menge tatsächlich viele gegeben.

Der Glaube der blutflüssigen Frau, der letztendlich von Jesus gelobt wird, ist sicher vermischt gewesen mit einem gewissen Aberglauben, vielleicht sogar mit einem magischen Weltbild: "Wenn ich sein Gewand berühre, werde ich geheilt."
Aber etwas an diesem Jesus, der da vorüberzieht, von dem sie vielleicht schon die eine oder andere wunderbare Geschichte gehört hat, muss sie angesprochen haben, muss ihr nahegegangen sein.
Etwas an ihm hat sie so berührt, dass sie ein enormes Vertrauen in ihn gefasst hat und dieses Vertrauen - so wie sie es konnte, eben behaftet mit ihrem vermeintlichen Aberglauben - zum Ausdruck gebracht hat.
Jesus hat sie innerlich angerührt und es war ihr ein Bedürfnis, diese innere Berührung auch nach außen zu tragen, wenigstens sein Gewand zu berühren.

"Wer hat mich berührt?" - Gemäß der Auslegung des hl. Johannes Chrysostomus geht es Jesus bei dieser Frage eben nicht um die äußerliche Berührung des Gewandes, sondern um das innere Berührtwerden, um das Vertrauen und den Glauben der Frau.
Und dieser Glaube, nicht die geradezu magisch anmutende Vorstellung der Frau, ist es, der sie letztlich gesund macht: "Dein Glaube hat dir geholfen."

Liebe Brüder und Schwestern!
Was können wir von dieser Erzählung mitnehmen?
Zum einen denke ich, dass wir sehen, wie Jesus über vieles hinwegschauen kann. Mit keinem Wort tadelt er den vermeintlichen Aberglauben der Frau. Er kann über vieles hinwegsehen, wenn die Grundausrichtung stimmt, wenn ein tiefer Glaube da ist, wenn ein starkes Vertauen in ihn da ist, wenn wir uns im Innersten von ihm berühren lassen.

Zum anderen sehen wir aber auch, wie Jesus die Menschen behutsam weiterführt.
Die blutflüssige Frau hat gedacht: Die Berührung seines Gewandes wird mich heilen. Jesus geht darauf ein, aber er führt sie eben weiter: Nicht die äußerliche Berührung, sondern "dein Glaube hat dir geholfen".
Und auch den Vater des sterbenden Mädchens führt er weiter. Er kommt mit dem Vertrauen zu Jesus, dass er seine Tochter von ihrer Krankheit heilen kann. Als sie aber gestorben ist, haben die Angehörigen die Hoffnung aufgegeben. Jesus hingegen sagt: "Glaube nur!" und schenkt dem Kind das Leben zurück. Er gibt damit nicht nur dem Kind das Leben, sondern vermehrt sozusagen auch das anfanghafte Vertrauen, stärkt den anfanghaften Glauben des Vaters. Der Glaube an Jesus, den Heiler, wird weitergeführt zum Glauben an Jesus, den Herrn über Leben und Tod.

Liebe Brüder und Schwestern!
Über vieles hinwegsehen, oder besser gesagt: den Blick für das Wesentliche schärfen; und das, was im Keim vorhanden ist, stärken und behutsam weiterführen. - Wäre das nicht vielleicht auch eine Formel, ein Grundrezept für unseren Umgang miteinander in der Kirche und in der Gesellschaft?


Zu den liturgischen Texten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A