23. Sonntag i. Jkr. - Lj. A - mit Aufnahme in den Katechumenat

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn Sie das Wort "Wächter" hören, woran denken Sie da?
Vielleicht an einen Gefängniswärter, an den Polizisten, der die Ordnung überwacht und sicherstellt, an Personen aus einem Abenteuerfilm, die einen Schatz bewachen; vielleicht denken Sie nicht nur an Menschen, vielleicht kommt Ihnen der Wachhund in den Sinn oder die Alarmanlage, sozusagen als die technische Ausführung des Wachhundes; wenn Sie technikaffin sind, denken Sie vielleicht an verschiedene Sensoren für Temperatur, Geschwindigkeit, Lichteinfall oder ähnliches, die diese physikalischen Gegebenheiten überwachen.
"Ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben", so hört es der Prophet Ezechiel in der heutigen Lesung. Woran mag er wohl bei diesem Wort Wächter gedacht haben?

Soll er der Gefängniswärter sein, der darauf Acht gibt, dass niemand ausbricht; etwas schöner formuliert: dass niemand das auserwählte Volk, die Gemeinschaft mit Gott, verlässt? Ist er der Polizist des Volkes, der Recht und Ordnung überwachen soll? Oder soll er das Volk wie einen Schatz vor Feinden von außen bewachen? Ist er der Wachhund, der Alarm schlägt, wenn sich gefährliche Eindringlinge nahen? Oder gleicht er vielleicht doch eher einem technischen Sensor, der den "Zustand" des Volkes zu überwachen und aufzuzeichnen hat?

"Ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben" - irgendwie sind wahrscheinlich alle diese Antworten richtig. Als Wächter hat der Prophet auf das Volk Acht zu geben, es zu behüten. Umso interessanter ist, wie dieses Wächteramt dann in der Lesung näher beschrieben wird: "Wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen", wenn jemand im Volk vom Weg abweicht, wenn deine "Sensoren" anschlagen und ein Verhalten melden, das im roten Bereich ist, dann musst du als Wächter einschreiten, dann musst du den Schuldigen warnen, ihn zurechtweisen; andernfalls geht er weiter in die Irre und auch du selbst machst dich schuldig.

Es ist sicher keine leichte Aufgabe, die der Prophet da erhält. Wer macht das schon gerne, jemanden zurechtweisen? Vielleicht fällt es leicht, wenn es eine Person ist, die man nicht kennt oder jemand, den man ohnehin nicht mag. Aber gesetzt den Fall, es handelt sich um einen guten Freund: Wer sagt seinem Freund schon gerne, dass er einen falschen Weg eingeschlagen hat! Und doch wissen und spüren wir, dass es manchmal notwendig ist.
Was Gott vom Propheten Ezechiel fordert, das fordert Jesus im Evangelium auch von seinen Jüngern, das fordert er auch von uns: "Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn ... zurecht!" - Und er konkretisiert noch: erst unter vier Augen, dann gemeinsam mit einem oder zwei anderen, dann erst öffentlich vor der Gemeinde.

Liebe Brüder und Schwestern!
Wir dürfen einander nicht egal sein. Als Kirche, als große Gemeinschaft, müssen wir auch aufeinander schauen; müssen wir füreinander "Wächter" sein, das heißt ein Sensorium füreinander entwickeln. Liebevolle Zurechtweisung kann manchmal etwas sein, das meinem Nächsten weiterhilft. Umgekehrt darf ich auch dankbar sein, wenn jemand mich darauf hinweist, wie ich mein Leben als Christ besser gestalten könnte. Und wir dürfen dieses Grundmuster ausweiten: Es geht nicht nur um das gegenseitige Zurechtweisen, sondern ganz grundsätzlich um die Sorge umeinander und das Dasein füreinander. "Niemandem bleibt etwas schuldig, außer der gegenseitigen Liebe!", sagt Paulus in der zweiten Lesung.

Und dann hören wir im Evangelium, fast ein wenig unvermittelt, als würde auf einmal ein ganz neues Thema angerissen, diese schöne Zusage Jesu: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen."
Dieser Satz ist tatsächlich kein neues Thema, sondern wir dürfen ihn wohl auch als Zusammenfassung und Gipfel des Vorherigen verstehen: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind; wo sie sich auf mich berufen und mehr noch so handeln, wie ich es euch aufgetragen habe; wenn sie füreinander zu "Wächtern" werden und sich umeinander kümmern - da bin ich mitten unter ihnen.

Lieber Taufbewerber, lieber D.!
Ich wünsche dir, dass du auf deinem Weg zur Taufe, auf deinem Weg in die Gemeinschaft der Kirche das oft erleben darfst: Wenn wir gut miteinander umgehen, dann ist Jesus erfahrbar und spürbar.
Dazu wollen wir dich als Pfarrgemeinde auch begleiten, so gut wir es können. Und so bitte ich dich, nun mit deinem Begleiter nochmals nach vor zu kommen.

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