24. Sonntag i. Jkr. - Lj. A

Liebe Brüder und Schwestern!

"Gott, du Schöpfer und Lenker aller Dinge, sieh gnädig auf uns", so habe ich zu Beginn der hl. Messe im Tagesgebet vorgebetet.
Es sind Worte, über die wir wahrscheinlich gar nicht so sehr nachdenken, wenn wir sie aus dem Messbuch ablesen oder sie vorgebetet hören und mit unserem "Amen" quittieren.
Doch es lohnt sich, bei solchen vorformulierten Gebeten manchmal genauer hinzusehen.

Gott wird in diesem Gebet angesprochen als der "Schöpfer und Lenker aller Dinge". Wir wissen bzw. erahnen heute durch den Fortschritt der Wissenschaften immer mehr, wie groß und schön die ganze Welt ist. Es würde schon reichen, einen Blick auf unsere kleine Umwelt oder unser schönes Land zu werfen, um über die Schönheit dieser Welt zu staunen. Doch die Welt ist noch größer und wir werden nie alles auf unserer Erde sehen können. Der Sänger Mark Forster singt in einem Lied, das oft im Radio zu hören ist: "Es gibt hundertvierundneunzig Länder, ich will jedes davon sehen" - ein interessanter Gedanke, und doch ahnen wir, dass es nur ein Wunsch bleiben wird. Selbst wenn man alle diese Länder bereisen würde, wirklich alles davon zu sehen, das ist einfach unmöglich. Und dann wissen wir aber, dass unsere schöne Erde auch nur ein kleiner Punkt ist in den Weiten des Weltalls, das nach einer so schönen und beeindruckenden Ordnung aufgebaut ist.
Wenn unser Gebet Gott also anspricht als den "Schöpfer und Lenker aller Dinge", dürfen wir all das vor Augen haben: die ganze Schönheit und Weite des Kosmos. Und wir glauben, dass hinter all dem Gott steht als "Schöpfer", der all das erschaffen und geordnet hat, und als "Lenker", als der, der alles im Sein erhält.

Die Erde ist ein verschwindend kleiner Punkt im Weltall, wie viel unbedeutender bin dann ich, der ich dieses Gebet spreche! Wer bin ich schon, dass ich verschwindend kleines Gebilde im Lauf der Welten mich an den "Schöpfer und Lenker aller Dinge" wenden könnte! Und dann noch mit dieser unerhörten Bitte: "sieh gnädig auf uns" - als ob dieser allmächtige, große Gott nichts Besseres zu tun hätte, als ausgerechnet auf mich zu schauen!

Wenn man sich das alles so vor Augen führt, macht es dann überhaupt Sinn, sich an Gott zu wenden? Was berechtigt uns denn wirklich dazu, dass wir meinen könnten, der "Schöpfer und Lenker aller Dinge" würde sich für uns interessieren - für uns, die wir im Vergleich zur Größe des Weltalls nicht einmal ein Staubkörnchen sind?

Nun, als Christen leben wir aus der Überzeugung, dass Gott die ganze Ordnung des Weltalls eben für uns erschaffen hat. Oder noch zugespitzter formuliert: für jeden einzelnen von uns. Alles ist so geordnet und eingerichtet, dass es für mich persönlich erschaffen ist. Und der große "Schöpfer und Lenker aller Dinge" hat sich klein gemacht, ist selber so ein kleines Staubkörnchen wie ich geworden; in Jesus kommt er mir als Mensch entgegen, um für mich persönlich da zu sein. - Das ist in der Tat ein unerhörter Gedanke! Es klingt fast schon nach einem Größenwahn, wenn ich aus dem Glauben heraus sage, dass alles für mich geschaffen ist. Und doch ist es die Art und Weise der Zuneigung Gottes, die Jesus uns verkündet! "Christ, erkenne deine Würde", so hat es bereits Papst Leo der Große gesagt; und er warnt davor, "zur alten Erbärmlichkeit" zurückzukehren, oder positiv formuliert: Wir sind eingeladen, dieses Geschenk anzunehmen und entsprechend zu leben. (zit. nach KKK 1691).

Liebe Brüder und Schwestern!

Werfen wir mit diesen Gedanken im Kopf nun einen Blick auf das heutige Evangelium. Hier begegnet uns im Gleichnis, das Jesus erzählt, zwar nicht der große "Schöpfer und Lenker aller Dinge" persönlich, aber doch ein mächtiger König. Und vor ihn tritt ein tief verschuldeter Knecht. Zehntausend Talente ist er schuldig, eine unvorstellbar große Summe; man hat errechnet, dass es ungefähr ein Betrag ist, den er in 60 Millionen Arbeitstagen hätte verdienen können. 60 Millionen Tage, das sind mehr als 160.000 Jahre. Es geht also um eine Summe, die er realistischerweise nie zurückzahlen kann.
Dieser Knecht mag sich also durchaus vorgekommen sein, wie das kleine Staubkörnchen im Weltall, das sich an den "Schöpfer und Lenker aller Dinge" richtet: hoffnungslos überfordert, gering und nichts wert, keine Chance!

Und doch wagt er die unerhörte Bitte, ähnlich wie im Tagesgebet: Hab Geduld mit mir! Sieh gnädig auf mich! - Und siehe da, es geschieht die große Überraschung, das womit niemand gerechnet hätte: der König gewährt ihm seine Bitte und erlässt ihm die ganze Schuld! - So gesehen eine Einladung an uns, das Gebet an den "Schöpfer und Lenker aller Dinge" durchaus zu wagen! Jesus macht uns Mut dazu: Gott, der große, allmächtige, erhabene, unfassbare wird auch auf dein Gebet hören, denn du bist für ihn kein Staubkörnchen, sondern unendlich wertvoll!

Das Gleichnis geht weiter. Und der Knecht, dem vom König alles vergeben wurde, bringt es nicht fertig seinem Mitknecht ebenso zu vergeben - obwohl es sich um eine vergleichsweise niedrige Summe handelt: 100 Denare, das, was er in 100 Tagen verdienen kann - zwar auch nicht nichts, aber was ist das schon im Vergleich zu dem, was ihm gerade geschenkt wurde!

Aus diesem zweiten Teil des Gleichnisses hören wir den Imperativ des hl. Leo: "Christ, erkenne deine Würde!" Wenn dir so viel geschenkt wird, wenn du vom großen "Schöpfer und Lenker aller Dinge" beachtet und sogar noch erhört wirst, dann musst du auch selbst dementsprechend leben und deinem Mitchrist und Mitmensch gegenüber entsprechend handeln!

Liebe Brüder und Schwestern!

Der heutige Sonntag lädt mich ein, das Unerhörte zu wagen: mich an den allmächtigen Gott zu wenden. Und der heutige Sonntag lädt mich ein, selbst aus dem Verhalten dieses Gottes mir gegenüber zu lernen.

Gott, du Schöpfer und Lenker aller Dinge, sieh gnädig auf uns! - Und lehre uns, selbst gnädig zu anderen zu sein. Amen. 

Zu den liturgischen Texten

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