3. Sonntag i. Jkr. - Lj. B
Liebe Brüder und Schwestern!
"Ein Beruf ist ein Job, den man machen muss; ein Job, den man gern macht, ist eine Berufung."
Diesen Satz habe ich vergangene Woche in der Radiowerbung gehört. Es soll geworben werden für ein Arbeitsvermittlungsportal, das verspricht, eine Arbeit für ihre Klienten zu finden, die sie gerne tun.
"Ein Beruf ist ein Job, den man machen muss; ein Job, den man gern macht, ist eine Berufung."
Ist das wirklich so?
Zunächst können wir sagen, dass eine Unterscheidung von Beruf und Berufung immer nur relativ sein kann, denn beides leitet sich ja vom Wort "rufen" ab. Beides impliziert, dass es irgendwo einen Ruf, eine Aufforderung zu dieser oder jener Arbeit gegeben hat. Und da kommt dann gleich ein zweiter Einwand: Muss eine Berufung, etwas zu dem ich gerufen, beauftragt werde, immer etwas sein, das ich auch gerne mache? Ist es nicht auch anders denkbar, dass mir etwas aufgetragen wird, das mir gegen den Strich geht, das ich nicht gerne mache, ja vor dem ich am liebsten davonlaufen würde?
"Das Wort des HERRN erging an Jona", hat es in der ersten Lesung geheißen. Da haben wir sie, die Berufung, den Ruf und Auftrag Gottes an Jona: "Mach dich auf den Weg ... nach Ninive ... und rufe ihr all das zu, was ich dir sagen werde!" Und Jona macht sich auf den Weg und führt den Auftrag aus. - So der heutige Lesungsabschnitt. Doch wir wissen wahrscheinlich alle, dass dem eine lange Geschichte vorausgeht, dass Jona vor dieser Berufung buchstäblich davongelaufen ist, dass sie mitnichten ein Job gewesen ist, den er gerne gemacht hat.
Als Jona zum ersten Mal von Gott den Auftrag erhält, nach Ninive zu gehen, läuft er davon, geht geradezu in die andere Richtung, nach Tarschisch ans andere Ende des Reiches. Und das noch nicht genug, dort steigt er auch noch in ein Schiff, das ihn noch weiter weg von Ninive, weiter weg von seiner Berufung bringen soll. Freilich, eine Begründung für diese Flucht des Jona finden wir an dieser Stelle nicht in der hl. Schrift. Jedenfalls dürfen wir annehmen, dass diese Berufung nicht sein Wunschtraum gewesen ist.
Liebe Brüder und Schwestern!
Vielleicht ist das ein realistischers Bild von Berufung als es uns die Werbung vorspielen möchte. Nicht immer ergehen Aufträge an uns, die wir gerne ausführen; und auch mit dem Willen Gottes für unser Leben kann es sich so verhalten, dass er andere Pläne für uns hat als wir uns das gewünscht hätten, dass wir seinen Ruf erkennen und uns im ersten Moment denken: Nein, sicher nicht!
Die Geschichte mit Jona geht weiter. Das Schiff gerät in Seenot wegen eines gewaltigen Sturmes. Alle an Bord beginnen vor Angst, zu ihren jeweiligen Göttern zu beten. Nur einer nicht: Jona schläft unter Deck. Als er geweckt wird, wird er aufgefordert, ebenfalls zu seinem Gott zu beten, dass dieser Sturm doch aufhören möge. Doch Jona denkt gar nicht daran. - Mit diesem Gott reden, der mir solch einen Auftrag erteilt hat, der mir dermaßen gegen den Strich geht, mit ihm verhandeln, dass er mich gerade erst recht nochmal nach Ninive schickt? Nein, das kommt nicht in Frage! - Also lässt er sich, weil er erkennt, dass der Sturm nur seinetwegen aufgezogen ist, freiwillig über Bord werfen, hinein in die stürmende See. Lieber will er in den sicheren Tod gehen als mit Gott zu reden, sich auf das Gespräch mit dem einlassen, der ihn zu solch einer ihm widerstrebenden Aufgabe berufen hat. Dabei dürfen wir im Hinterkopf haben, dass das Toben des Meeres in der Bildersprache der Bibel das Chaos, das Ungeordnete, ja das Widergöttliche darstellt. Insofern heißt es, wenn sich Jona nun in dieses Chaosmeer begibt, dass er sich so weit von Gott entfernt, wie es nur denkbar ist.
Liebe Brüder und Schwestern!
Vielleicht geht es uns auch so, wenn wir einen Auftrag erhalten, den wir nicht annehmen wollen, dass wir davor davonlaufen. Ja, möglichst weit davonlaufen. Doch was, wenn es sich um einen Auftrag Gottes handelt? Wenn es seine Berufung für uns ist? Können wir davor überhaupt davonlaufen?
Jona hat es jedenfalls versucht - vergeblich. Denn der Herr schickt einen großen Fisch, der ihn verschlingt und nach drei Tagen und drei Nächten am Ufer wieder ausspeit. Wir könnten sagen: Selbst in der äußersten Gottferne, im Chaos des Urmeeres, holt ihn der Ruf Gottes wieder ein. Und kaum ist er an Land, ergeht von neuem derselbe Auftrag an ihn. Hier setzt die heutige Lesung ein: "Geh nach Ninive." - Und diesesmal macht er sich auf den Weg, wahrscheinlich widerwillig, aber er hat eingesehen: Es bringt nichts, vor Gott wegzulaufen.
Jona kommt also nach Ninive und hält der großen Stadt die Bußpredigt, die ihm von Gott aufgetragen wurde. Und siehe da! Wider alle Erwartung zeigt sie Wirkung. Die Einwohner von Ninive glauben der Predigt des Jona und ändern ihr Leben, sodass Gott seine Drohung gegen die Stadt nicht auszuführen braucht.
Auftrag erledigt, könnten wir meinen. Doch das Buch Jona ist mit der Schilderung der heutigen Lesung noch nicht zu Ende. Es erzählt uns nicht nur, wie es mit Ninive weitergeht, sondern auch mit dem Propheten wider Willen selbst. Der ist nämlich gar nicht begeistert, dass seine Mission Erfolg hatte: Ach Gott, mir war ja von Anfang an klar, dass du der Stadt vergeben wirst, dass du die Drohung nicht ausführen wirst, weil du viel zu gütig bist! Nur deshalb bin ich von dir weggelaufen, weil ich es eh schon wusste! Unnötiger Aufwand! Aber gut, jetzt ist es getan. Der sinnlose Job ist ausgeführt, jetzt kannst du mir mein Leben nehmen. Mir reicht es! Ich setzte mich jetzt hier in die Sonne und warte auf den Tod.
Liebe Brüder und Schwestern!
Selbst jetzt, wo er den Auftrag ausgeführt hat, wo er seiner Berufung gefolgt ist, ist Jona nicht glücklich. Vielleicht auch ein realistisches Bild: Dem Willen Gottes für mein Leben folgen kann auch bedeuten, nach meinen eigenen Vorstellungen ganz und gar nicht erfüllt zu werden. Es kann unter Umständen heißen, wenn ich mich auf meine eigene kleine Welt berufe, dass ich dadurch todunglücklich werde.
Doch auch mit diesem Selbstmitleid und Todeswunsch des Jona ist das Buch noch nicht zu Ende. Es kommt noch die kleine, fast witzige, aber sehr wichtige Episode vom Rizinusstrauch. Gott handelt auch dieses Mal nicht den Vorstellungen und Wünschen Jonas entsprechend. Er lässt ihn nicht in der Hitze sterben, sondern lässt einen Rizinusstrauch über Jona wachsen, der ihm Schatten und Kühlung spendet. Aber dann, gerade als Jona den Strauch zu schätzen lernt, als er beginnt, sein Selbstmitleid zu beenden und sich des Lebens wieder zu freuen, lässt Gott den Strauch eingehen. Jetzt beklagt sich Jona wieder: Warum hast du das getan? Und die Pointe, die Gott ihm liefert: Das geschieht, wenn ich mich deinen Wünschen beuge. Du hast diesen Strauch nicht gepflanzt, ihn nicht großgezogen und trotzdem ist dir leid um ihn. Genauso wäre es mir ergangen, hätte ich die Menschen von Ninive vernichtet, denen ich selbst das Leben gegeben und die ich großgezogen habe.
Liebe Brüder und Schwestern!
Damit endet das Buch Jona nun tatsächlich. Es lässt offen, ob Jona die Lektion verstanden hat. Es endet buchstäblich mit einem Fragezeichen. Aber gerade so wird es zur Einladung an uns, uns unserer Berufung zu stellen - auch dann, wenn sie uns vielleicht gegen den Strich gehen mag. Auch dann, wenn wir vielleicht fürs Erste keine allzu große Erfüllung darin finden werden.
Natürlich ist die Geschichte von Jona nicht der Regelfall. Die meisten Berufungsgeschichten in der hl. Schrift laufen anders ab. Doch das Buch Jona kann uns sagen: Selbst wenn es dir so ergeht wie Jona, darfst du wissen, dass der Plan Gottes dahintersteht - und dass du letztlich sehr wohl Erfüllung darin finden wirst, wenn du dich auf einen Perpektivenwechsel einlässt und nicht in deiner eigenen kleinen Welt und deinen Vorstellungen gefangen bleibst, sondern dich auf das ganze Wagnis eines Lebens mit Gott einlässt.
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