Fastenbesinnung K.Ö.H.V. Amelungia

Lesung aus dem Buch Jesus Sirach (Sir 6,5-17)

Liebe Bundesbrüder!

Unser Hoher Senior hat das laufende Sommersemester unter den Schwerpunkt "amicitia" gestellt, um dieses Prinzip, das in den letzten Semestern Corona-bedingt nicht so sehr zur Geltung kommen konnte, bewusst in den Mittelpunkt zu stellen.

So möchte ich heute diese Fastenbesinnung nutzen, um das Thema Freundschaft aus biblischer Sicht aufzugreifen bzw. ein paar Streiflichter darauf zu werfen.

Natürlich ist es immer schwierig, von der Bibel zu sprechen. Es gibt ja ganz unterschiedliche Erzählungen und Gedankengänge, die wir finden können. Trotzdem ist das Thema Freundschaft etwas, das sich explizit oder implizit sehr oft in der hl. Schrift findet.

Die Verse aus dem Buch Jesus Sirach, die wir gehört haben, sind eine Art Zusammenfassung, was Freundschaft uns bedeuten kann. Wenn vor falschen Freunden gewarnt wird, die nur in guten Zeiten zu einem stehen, in Notsituationen sich aber abwenden oder gar zu Feinden werden, dann könnte wahrscheinlich jeder von uns Beispiele anführen, wo es einem selbst bereits so ergangen ist. Wenn aber umgekehrt gesagt wird, dass ein treuer, ein echter Freund einem Schatz gleichkommt, den man nicht mit anderen Gütern aufwiegen kann, dann wird das hoffentlich auch eine Aussage sein, die wir bestätigen können. Wenn uns durch diesen Jahrtausende alten Text das Beispiel schlechter und guter Freunde vor Augen gestellt wird, dann kann das ein Anlass sein, dass wir - vielleicht auch gerade in der Fastenzeit als einer Zeit der Umkehr und Buße - auf uns selber schauen, wie wir es mit unseren Freundschaften halten, ob wir gute Freunde sind oder nicht. Auch, wie wir es mit unseren Bundesbrüdern halten, denen wir die amicitia versprochen haben, wäre solch eine Überlegung wert.

Ich möchte aber nicht bei diesen allgemeinen Aussagen und moralischen Apellen bleiben, sondern versuchen, das Thema Freundschaft in der Bibel noch mit einigen anschaulichen Erzählungen zu illustrieren.

1. David und Jonatan

Betrachten wir dabei zunächst den "Klassiker" unter den Freundschaftsgeschichten im Alten Testament: David und Jonatan. Jonatan ist der Sohn des Königs Saul, des ersten Königs von Israel, der von Gott aber als König verstoßen worden ist. David ist der, der von Gott als neuer König erwählt worden ist. Der Sohn des amtierenden Königs und der Konkurrent des amtierenden Königs - nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine Freundschaft zwischen den beiden. Und trotzdem lesen wir im ersten Samuelbuch:

"Nach dem Gespräch Davids mit Saul schloss Jonatan David in sein Herz. Und Jonatan liebte David wie sein eigenes Leben." (1 Sam 18,1)

Jemand wie sein eigenes Leben lieben - das ist etwas, das selbst gute Freunde wohl nur sehr selten über sich sagen würden. Nicht verwunderlich also, dass feindselige Lesarten die beiden zu einem homosexuellen Pärchen hochstilisieren wollen. Jedenfalls zeigt es aber, dass es keine Zweckfreundschaft gewesen ist, die sich zwischen Jonatan und David entwickelt hat. Und selbst als das Verhältnis zwischen Saul und David immer schwieriger geworden ist, hat die Freundschaft zwischen David und Jonatan gehalten. Freund ist man eben nicht nur in guten Zeiten, sondern echte Freundschaft bewährt sich gerade dann, wenn es schwierig wird.

2. Die Freunde Ijobs

Das bringt mich auch schon zur zweiten Erzählung, die ich zum Thema Freundschaft in der Bibel erwähnen möchte. Jeder kennt zumindest den Namen Ijob/Hiob/Job. Und wahrscheinlich bringen ihn die meisten auch in Verbindung damit, dass er ein "Dulder" gewesen ist, jemand, der viel Leid erfahren und dieses Leid gottergeben erduldet hat. Ijob wird von Gott auf die Probe gestellt, indem er mit schwerem Leid geschlagen wird. Mir kommt es aber jetzt gar nicht auf die Theodizee-Frage an, die damit verbunden ist, also: Wieso lässt Gott das Leid zu? Sondern im zweiten Kapitel werden drei Freunde Ijobs eingeführt, von denen es heißt:

"Die drei Freunde Ijobs hörten von all dem Bösen, das über ihn gekommen war. Und sie kamen, jeder aus seiner Heimat: Elifas aus Teman, Bildad aus Schuach und Zofar aus Naama. Sie vereinbarten hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten. Als sie von fern aufblickten, erkannten sie ihn nicht; sie schrien auf und weinten. Jeder zerriss sein Gewand; sie streuten Asche über ihr Haupt gegen den Himmel. Sie saßen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und keiner sprach ein Wort zu ihm. Denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war." (Ijob 2,11-13)

Ohne jetzt darauf einzugehen, wie die Erzählung weitergeht - die Freunde werden nicht stumm bleiben, sondern ihre Reden halten - möchte ich an dieser Stelle sagen: An diesen drei sehen wir, was Freundschaft auch bedeuten kann, nämlich einfach da sein. Es müssen nicht immer die großen Worte oder die großen Gesten sein. Manchmal ist der beste Freundschaftsdienst, den wir anderen leisten können schon alleine der, dass wir da sind, dass wir ihnen das Gefühl geben, nicht alleine zu sein.

3. Die vier Freunde des Gelähmten

Mein drittes Beispiel führt uns schließlich ins Neue Testament. Wir alle kennen die Episode ziemlich am Beginn des Markusevangeliums, wo berichtet wird:

"Und es versammelten sich so viele Menschen [um Jesus], dass nicht einmal mehr vor der Tür Platz war; und er verkündete ihnen das Wort. Da brachte man einen Gelähmten zu ihm, von vier Männern getragen. Weil sie ihn aber wegen der vielen Leute nicht bis zu Jesus bringen konnten, deckten sie dort, wo Jesus war, das Dach ab, schlugen die Decke durch und ließen den Gelähmten auf seiner Liege durch die Öffnung hinab." (Mk 2,2-4)

Diese vier Männer sind sicher auch echte und gute Freunde für den Gelähmten gewesen - gerade im Kontext der Zeit, wo es nicht üblich oder selbstverständlich war, sich um behinderte Menschen zu kümmern! Ich habe vorhin bei Ijob gesgat, dass echte Freundschaft sich nicht immer in großen Worten oder Taten zeigen muss, sondern auch im einfachen Dasein bestehen kann. Hier haben wir jetzt den anderen Fall, dass sich die Freundschaft der vier Männer zum Gelähmten gerade in der Aktion, im Anpacken (im wahrsten Sinn des Wortes) zeigt. Also auch das ein Aspekt, den uns die Bibel zum Thema Freundschaft nahelegt.

Freundschaft mit Gott

Ein Aspekt, der in diesen Erzählungen noch nicht vorgekommen ist, der aber trotzdem unbedingt erwähnt werden muss, wenn es um Freundschaft in der Bibel geht, ist die Freundschaft mit Gott. An verschiedensten Stellen wird erwähnt, dass Gott und Mensch Freunde sein können. So bezeichnet der Jakobusbrief Abraham als einen Freund Gottes (vgl. Jak 2,23). Jesus, der menschgewordene Sohn Gottes, wird als Freund der Zöllner und Sünder verunglimpft (vgl. Mt 11,19) oder bezeichnet Lazarus als seinen Freund (vgl. Joh 11,11). Am eindrücklichsten ist aber wahrscheinlich jener Satz Jesu, den sich der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, als Wappenspruch gewählt hat: "Vos autem dixi amicos" - "Euch aber habe ich Freunde genannt" (Joh 15,15) - Diesen Satz sagt Jesus nach dem letzten Abendmahl, am Vorabend seines Todes, gleichsam als sein letztes Vermächtnis zu seinen Jüngern.

Gott selbst, der unendlich größer ist als wir, lässt sich also darauf ein, mit uns befreundet zu sein. Er ist der, der uns wie sein eigenes Leben liebt (vgl. David und Jonatan), der einfach da ist, auch wenn es uns schlecht geht (vgl. die Freunde von Ijob) und der alles für uns tut, was nötig ist (vgl. die Freunde des Gelähmten), und wenn es die Hingabe des eigenen Lebens ist!

Liebe Brundesbrüder!

Freundschaft, amicitia - das sind Wörter, die sich leicht sagen. Aber wenn wir es ernst damit meinen, was sie bedeuten, dann stellen sie einen hohen Anspruch an uns. Aber wir dürfen eben auch wissen: Wir können diesen Anspruch auch einlösen, weil Gott selbst unser Freund ist und als solcher bedingungslos hinter uns steht.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A