Gründonnerstag - Messe vom letzten Abendmahl


Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich möchte zum heutigen Gründonnerstag einmal ein modernes Bild betrachten. Bitte schlagen Sie dazu im Gotteslob das Lied Nr. 282 auf. Darunter befindet sich eine Strichzeichnung der Künstlerin Monika Bartholomé.

Derartige Zeichnungen finden wir ja an unterschiedlichen Stellen in unserem Gebet- und Gesangbuch - und oft gibt es Leute, die sich an diesen Zeichnungen stoßen: verschwendeter Platz, nur ein paar Striche, Gekritzel ohne künstlerischen Wert, ...

Ich gebe zu, dass ich mir selber auch manchmal schwertue mit diesen Grafiken und überhaupt mit moderner Kunst. Aber, wie gesagt, ich möchte mich heute einmal darauf einlassen und die Zeichnung unter dem Lied Nr. 282 betrachten.

Ich weiß nicht, was das erste ist, das Sie sehen, wenn Sie auf diese Striche blicken. Vermutlich werden einige sagen: Es ist ein Kelch. Und das ist schon der erste von drei Aspekten, die ich betrachten möchte:

(1.) Der Kelch

Der Kelch als liturgischer Gegenstand ist nicht wegzudenken aus unserer christlichen Liturgie. Heute werden wir besonders daran erinnert, dass Jesus den Kelch mit Wein genommen und ihn zum Ausdruck seiner Lebenshingabe an den Vater und an uns gemacht hat.

Wenn wir unseren stilisierten Kelch im Gotteslob betrachten, dann weist er eben die typische Kelchform auf: nach oben hin geöffnet und weiter werdend. Der Kelch verweist uns eben auf Gott, er will eine Verbindung herstellen: Der untere Teil, der sogenannte "Kelchfuß" steht fest auf dem Boden (bzw. dem Altar) - in unserer Zeichnung sehen wir dazu auch zwei Striche - und der obere Teil, aus dem getrunken wird, die sogenannte "Cuppa" ist geöffnet. So kann der Kelch eben für die Verbindung von Himmel und Erde stehen, für die Vermittlung zwischen Gott und Mensch, die Jesus Christus für uns in Person darstellt. 

Eben deshalb wird Christus auch der "Hohepriester des Neuen Bundes" genannt, weil es religionsgeschichtlich Aufgabe der Priester ist, zwischen Himmel und Erde zu vermitteln. Wenn wir am heutigen Gründonnerstag auch der Einsetzung des Sakraments der Priesterweihe gedenken, kann uns das daran erinnern: Jesus Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und Mensch, der uns an seinem Priestertum Anteil gibt - sei es im gemeinsamen Priestertum aufgrund von Taufe und Firmung oder im besonderen Priestertum des Dienstes aufgrund der Priesterweihe.

(2.) Das Zerbrochene

Aber noch zu einem zweiten Punkt. Der Kelch in unserer Zeichnung ist nämlich nicht einfach ein Kelch, sondern ein auseinandergebrochener Kelch. Vereinfacht gesagt: Der Kelch ist kaputt, er ist in der Mitte entzweit.

Genau damit kann er uns aber wieder auf das Geheimnis der Eucharistie verweisen. Denn Jesus schenkt sich uns nicht anders, als dass er sich eben verschenkt, dass er nichts von sich zurückhält, dass er sich - wie wir am morgigen Karfreitag sehen - eben buchstäblich vernichten lässt, um ganz im Für-Sein für andere aufzugehen.

Unsere Zeichnung kann uns damit auch sagen: Auch das Zerbrochene, das Kaputte, das Vernichtete hat einen Wert. Jesus selbst ist der Zerbrochene, der gerade daraus einen Ausdruck seiner Liebe macht. - Ein großes Geheimnis, das wir in diesen Tagen feiern dürfen, auch wenn wir es nie ganz verstehen werden!

(3.) Die Umarmung

Schließlich noch ein dritter Punkt zu unserer Zeichnung. Sehen wir einmal von der Kelchsymbolik ab, die sich uns vermutlich aufdrängt, wenn sich die Zeichnung unter dem Lied "Beim letzten Abendmahle" findet. Wenn wir also von der Kelchsymbolik absehen, was könnten die Striche noch darstellen? - Vermutlich haben es einige gesehen: Ich meine, auch zwei stilisierte Menschen erkennen zu können, die sich umarmen.

Angewandt auf das heutige Festgeheimnis: Wenn Jesus sich an uns verschenkt, dann sind auch wir aufgerufen, uns an unsere Mitmenschen zu verschenken, sie zu umarmen, für sie da zu sein - ganz im Sinne der Fußwaschung, von der wir im Evangelium gehört haben.

Und um nochmal zur Kelchsymbolik zurückzukommen: Gerade durch die Umarmung der beiden Strichmännchen wird der Kelch wieder ganz. - Vielleicht auch ein schönes Symbol, was wir als versöhnungs- und hilfbereite Menschen bewirken können.

Liebe Brüder und Schwestern!

"Die Homilie handelt von den großen Geheimnissen, deren Gedächtnis in dieser Messe gefeiert wird, von der Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums und vom Gebot der Bruderliebe."

Diese Anweisung enthält das Messbuch für die Predigt in der heutigen Messe. Ich finde, eine Betrachtung der Zeichnung im Gotteslob unter Nr. 282 wird dem sehr gut gerecht, auch wenn man sich eventuell überwinden muss, um sich auf die moderne Kunst einzulassen. Ich möchte Ihnen in der Stille nun nochmals die Möglichkeit zur persönlichen Betrachtung geben, 

1. dass der Kelch nach oben geöffnet ist und die Vermittlung Christi zwischen Himmel und Erde darstellt;

2. dass der Kelch zerbrochen ist und die Hingabe Christi an den Vater und uns darstellt;

3. dass die Umarmung des Nächsten - nach dem Beispiel Christi - eine neue Wirklichkeit schaffen kann.

Und wenn Sie selber noch andere Dimensionen des kleinen Kunstwerkes entdecken können, umso besser!


Zu den liturgischen Texten

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