4. Fastensonntag - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

In der ersten Lesung haben wir heute aus dem Buch Josua gehört. Für viele gehört dieses Buch zu den schwierigsten Büchern des Alten Testaments. Es berichtet von der kriegerischen Landnahme, das heißt der Vertreibung und Vernichtung der einheimischen Bevölkerung des Gelobten Landes. Die Eroberung Jerichos beispielsweise, die in der heiligen Schrift auf die heutige Lesung folgt, ist eine sehr bekannte Erzählung: Die Stadtmauer stürzt ein, als die Israeliten die Posaunen erschallen lassen und sie können die Stadt ohne Probleme einnehmen. Das bedeutet: "Die Stadt mit allem, was in ihr ist (auch mitsamt den Bewohnern, Männern, Frauen und Kindern), soll zu Ehren des Herrn dem Untergang geweiht sein." (Jos 6,17)

Ein schwieriges Buch der heiligen Schrift also, das uns heute vorgelegt wird und mit dem wir vielleicht zu Recht unsere Probleme haben, wird doch hier so sehr von Gewalttaten berichtet, die im Namen und zur Ehre Gottes vollzogen werden.
Bei aller Härte und Grausamkeit, die erzählt wird, ist es wichtig, die Aussageintention des Buches im Blick zu behalten. Es geht um die Autorität des Gottes JHWH, die hervorgehoben werden soll. Dass von Göttern Gewalttaten berichtet werden, wird in der Umwelt der Bibel als großer Machterweis wahrgenommen. So kann eine erste Annäherung an den Sinngehalt dieser Erzählungen sein: Unser Gott JHWH kann sehr wohl mit den anderen Göttern mithalten.

Liebe Brüder und Schwestern!
Die Lehre von der heiligen Schrift als "Gotteswort im Menschenwort" erlaubt uns, solche Erzählungen im Kontext der jeweiligen Zeit zu lesen. Das, worauf es den Schreibern ankommt, ist nicht die Gewalt - das ist eine Selbstverständlichkeit, die damals nicht weiter hinterfragt wird, sondern die Sonderstellung JHWHs in der Götterwelt bis hin zur Aussage: "Alle Götter der Heiden sind nichtig" (Ps 96), unser Gott allein ist der Gott des Himmels und der Erde.
Wenn wir heute zu Recht unsere Bedenken bei den berichteten Gewalttaten anmelden, dann ändert das nichts an der Aussage, die damit getroffen werden soll: Er ist unser Gott, zu ihm allein wollen wir uns bekennen.

Der Abschnitt des Buches Josua, den wir heute als Lesung gehört haben, kann uns das auch vor Augen führen:
Die Erzählung steht ziemlich zu Beginn des Buches, gleich nach dem Durchzug durch den Jordan, also dem eigentlichen Betreten des Gelobten Landes nach der 40jährigen Wanderung durch die Wüste, angeführt von Mose. Mose selbst hat das Gelobte Land nicht betreten, sondern ist auf dem Berg Nebo gestorben. Die Führung des Volkes hat er an Josua abgetreten. Und Josua wirkt, ähnlich wie Mose am Roten Meer, ein Wunder: Das fließende Wasser des Jordan bleibt stehen, sodass der Fluss austrocknet und das Volk Israel "trockenen Fußes" in das Gelobte Land ziehen kann.
Und das erste, was Josua nach dem Durchzug durch den Jordan tut, noch vor allen kriegerischen Handlungen, ist eine zweite Beschneidung der Israeliten vorzunehmen - und wir wissen, die Beschneidung ist das Zeichen der Zugehörigkeit zu JHWH, das Zeichen des Bundes, den er vor Zeiten mit Abraham geschlossen hat. An die Beschneidung schließlich schließt das an, was wir in der Lesung gehört haben: Die Feier des Pascha-Festes, also die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten; die Erinnerung daran, dass Gott selbst es war und ist, der das Volk leitet.
Vor allen kriegerischen Handlungen, die berichtet werden, wird damit klargestellt: Es geht uns um die Zugehörigkeit zu Gott und darum, seinem machtvollen Wirken zu vertrauen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Was soll uns damit gesagt werden, wenn die Leseordnung der Kirche diese Lesung in der Fastenzeit vorsieht?
Die Fastenzeit ist immer auch eine Zeit der Tauferneurung, die in der expliziten Erneuerung des Taufgelübdes in der Osternacht gipfelt. Vor diesem Hintergrund kann das Bekenntnis zu Gott, das allem (auch fragwürdigen) Handeln des Volkes zugrunde liegt, eine Mahnung an uns sein: Lebe aus der Taufe heraus! Sprich zu Ostern nicht nur die Worte "Ich widersage" und "Ich glaube", sondern handle auch entsprechend!
Der hl. Paulus schreibt im zweiten Korintherbrief: "Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden." Das sollte sich auch in unserem alltäglichen Leben auswirken und sichtbar sein: im Umgang mit unseren Mitmenschen, in den Familien, am Arbeitsplatz, in der Schule, auf der Straße; im Umgang mit der Schöpfung; im Umgang mit uns selbst, auch in unseren Gedanken; und auch im Umgang mit Gott, in unserem Gebetsleben.

Und das, liebe Brüder und Schwestern, ist gar nicht leicht. Die Fastenzeit als Zeit der Tauferneuerung soll auch ein Anstoß sein, wieder mehr darauf zu achten, wie wir als Christ in dieser Welt leben, wie sich unser Christsein auf unser Leben auswirkt.
Es funktioniert nicht automatisch. Ein Leben aus dem Glauben ist harte Arbeit. Das kann uns, bei aller Problematik des Bildes, auch der Blick ins Buch Josua zeigen: Die Initiative liegt zwar bei Gott, aber das Volk wird trotzdem nicht davon entbunden, seine Kriege selbst zu führen und die Anordnungen Gottes penibelst umzusetzen.

Und wenn es uns nicht gelingt? Wenn wir nicht immer so leben, wie es unserer Taufe, unserem Christsein, unserem Sein in Christus entspricht?
Dann dürfen wir, wie der Verlorene Sohn im Evangelium umkehren zum Barmherzigen Vater und ihm sagen: "Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert dein Sohn zu sein". Und Gott wird uns bestimmt bereitwillig aufnehmen. Ich kann Ihnen, liebe Brüder und Schwestern, nur empfehlen, diese Erfahrung gerade auch in der Vorbereitung auf Ostern in der heiligen Beichte zu machen und aus dieser Begegnung mit Gott, aus diesem Neuanfang heraus, weiter zu "kämpfen", weiter damit zu ringen, ein Leben aus dem Glauben zu führen, dass es sich bewahrheitet: "Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden."

Amen.



Zu den liturgischen Texten

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