11. Dezember 2020 - Adventbesinnung K.a.V Saxo-Bavaria Prag in Wien

 

Aus dem Buch Jesaja (9,1-6)


Liebe Cartellbrüder!

Nachdem ich gebeten wurde, bei der heutigen Advent- bzw. Vorweihnachtsbesinnung auch noch einige von Euren Adventkränzen zu segnen, habe ich nachgeschaut, welche Stellen aus der hl. Schrift mir das Benediktionale, das liturgische Buch für die Segnungen, vorschlägt. Und der erste Vorschlag dieses Buches war die Lesung, die gerade vorgelesen wurde. Eine Lesung, die auch in der Christmette verkündet werden wird. Insofern habe ich mir gedacht, dass das eine gute Grundlage sein könnte für unsere kurze Besinnung.

"Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht", ruft der Prophet Jesaja aus - und es ist wahrhaft eine dunkle Zeit, in der er diese Worte spricht. Das 8. Jahrhundert vor Christus, in dem man das Auftreten des Propheten Jesaja verortet, ist gekennzeichnet von den Expansionsbestrebungen des assyrischen Reiches nach Westen. Das Nordreich Israel ist bereits von Assur besetzt und auch im Südreich Juda ist der politische bzw. militärische Druck zu spüren. Kurz gesagt: keine einfache Zeit, eine dunkle Stunde, in der der Prophet auftritt.

Für viele von uns, für viele Mitmenschen ist auch die gegenwärtige Zeit eine dunkle Zeit. Es ist eine Zeit, die uns vielfach unter Druck setzt. "Das Volk, das im Dunkel lebt" brauchen wir also gar nicht einfach nur in der biblischen Zeit verorten, sondern damit können durchaus auch wir uns identifizieren!

Und mitten hinein in diese Dunkelheit - damals wie heute - verkündet der Prophet Jesaja das Licht: "Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, leuchtet ein Licht auf." Vom "Licht am Ende des Tunnels" ist bisweilen auch heute die Rede, wenn uns Politiker zum viel beschworenen "Durchhalten" oder "Kraftakt" anspornen wollen. Doch die Vision des Jesaja geht darüber noch hinaus. Das Licht am Ende des Tunnels ist nicht die alte Normalität, die wir uns zurückwünschen. Es ist nicht die alte Normalität, die stabilen politischen Verhältnisse etwa unter König David, die sich das Volk zurückwünscht. Nein, das Licht, das Jesaja voraussieht, ist ein Symbol für eine grundlegende Veränderung, die Gott herbeiführen wird. Natürlich beinhaltet die Vision auch die Befreiung von der unterdrückenden Macht der Assyrer. Alle Werkzeuge und Symbole dieser Unterdrückung werden vernichtet: das Joch der Knechtschaft auf der Schulter, der dröhnend daherstampfende Stiefel, der blutbefleckte Mantel. Doch die Heilsbotschaft geht noch weit darüber hinaus.

"Uns ist ein Kind geboren", sagt Jesaja. Möglicherweise ist es die Hoffnung auf einen Thronfolger, der sein Volk auf dem Thron Davids wieder in politischer Unabhängigkeit regieren wird. Doch die Titulatur dieses Kindes als "wunderbarer Ratgeber", "starker Gott", "Vater in Ewigkeit" steht, auch in der Sprache der Gepflogenheiten am Jerusalemer Königshof, eigentlich nur Gott selbst zu. Allein der Titel "Friedensfürst" wäre auch für einen Menschen denkbar. Wenn man also gelten lässt, dass sich die Prophezeiung auf einen König bezieht, dann bleibt trotzdem klar: Es ist Gott selbst, der durch diesen König wirkt.


Liebe Cartellbrüder!

Vom "Licht am Ende des Tunnels" haben wir schon oft gehört - und sind dann vielleicht schon enttäuscht worden, wenn es sozusagen am nächsten Tag nun doch wieder in weiter Ferne zu liegen schien. Ähnlich ist es dem Südreich Juda gegangen, dem Volk, das damals "im Dunkel" lebte. Das helle Licht, das der Prophet angekündigt hat, war scheinbar nicht von Dauer. Das Volk ist schließlich und endlich in babylonische Gefangenschaft geraten.

Die christliche Lektüre der Jesaja-Verheißung hat freilich in der Ankündigung dieses Kindes mit der göttlichen Titulatur einen Hinweis auf Jesus Christus gesehen. Das Glück und der Friede, die Jesaja verheißen hat, liegen auf einer anderen Ebene, sie können uns gar nicht genommen werden - nicht von einer feindlichen Besatzung oder Invasion und auch nicht von einem Virus. Denn die Nähe Gottes, die uns durch das Kind in der Vision des Propheten verheißen ist, die ist in Jesus ganz konkret geworden: In ihm ist Gott tatsächlich in die Finsternis einer Erdennacht eingetreten. Und auch wenn das helle Licht nicht nicht immer klar erkennbar ist, ausgelöscht werden kann es nicht mehr!

Die Feier von Weihnachten in diesem besonderen Jahr kann uns also tatsächlich froh machen. Denn sie stellt uns das "Licht am Ende des Tunnels" vor Augen - nicht in Form eines Impfstoffes, eines Medikament oder sonst etwas, das uns ja letztlich noch immer keine Garantie gibt für eine Rückkehr zur Normalität. Die Feier von Weihnachten stellt uns als "Licht am Ende des Tunnels" Jesus selbst vor Augen, der im Bild gesprochen nicht einfach am Ende des Tunnels verbleibt, sondern uns entgegenkommt, ja eigentlich immer schon da ist.

Ich lade Euch ein, dass wir ein paar Augenblicke still bleiben; dass wir in uns hineinhorchen; dass wir darüber nachdenken, wo es in unserem Leben Dunkelheiten gibt, wo wir "im Finstern" wohnen, sei es bedingt durch die aktuelle Corona-Situation oder auch sonst; und dass wir nachspüren, wie es sich anfühlt, wenn diese dunklen Stellen vom Licht Jesu erhellt werden - denn genau das ist es, was uns die Feier von Weihnachten schenken möchte!

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