Weihnachten - Am Tag

Zur Messe in der Nacht ("Christmette") vgl. meine "Adventbesinnung"


Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wir blenden zurück in das 6. Jahrhundert vor Christus. Das Volk Israel ist im babylonischen Exil, fern der Heimat. Jerusalem und das Gelobte Land sind besetzt und ins babylonische Großreich eingegliedert, das Volk zerstreut in der Verbannung. Der Prophet Ezechiel hatte es in einer Vision kommen sehen: Die Herrlichkeit des Herrn, die Gegenwart Gottes ist von Jerusalem, vom "Berg im Osten der Stadt" gewichen (vgl. Ez 11,22-24). - Und diesem zerknirschten, verzweifelten, unterdrückten Volk, das in der Fremde leben muss, ruft nun der Prophet Jesaja zu, dass Gott wieder Besitz von diesem seinem Berg ergreifen wird, dass er und mit ihm das Volk nach Jerusalem, in die Heimat zurückkehren wird:

"Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten ... sie sehen mit eigenen Augen, wie der HERR nach Zion zurückkehrt".

Vom 6. Jahrhundert vor Christus zurück ins Heute, in das Jahr 2020, das bald zu Ende gehen wird. Irgendwie können wir mit dem Volk Israel mitfühlen, das in der Verbannung ist und sich nach Hause sehnt, das sich die Normalität zurückwünscht, die es verloren hat.

Dem Volk damals hat der Freudenbote die Rückkehr Gottes zu seinem Berg angekündigt. Es trifft sich, dass an diese Stelle in unseren Tagen eine andere Botschaft zu treten scheint:

Wie willkommen sind in den Pressekonferenzen die Schritte des Freudenboten, der den Impfstoff ankündigt.

So könnte man es etwas zynisch formulieren; und, liebe Brüder und Schwestern, ich möchte diese Parallele auch nicht auf die Spitze treiben. Natürlich sind Gott und Corona-Impfung keine sich ausschließenden Größen. Aber so viel sei doch gesagt: Haben die Menschen damals alles von der Gegenwart Gottes, von seinem Eingreifen in die Geschichte erwartet, so scheint heute diese ganze Hoffnung auf dem Impfstoff zu liegen, der uns in diesen Tagen angekündigt wird.

Das Weihnachtsfest in diesen Tagen mit der uralten Jesajalesung lädt uns ein, unseren Blick zu weiten auf den wahren Grund, der uns als Christen Hoffnung geben soll. Der Freudenbote im umfassenden Sinn ist nicht der, der die Impfung oder irgendetwas anderes ankündigt, das ein "Ende der Pandemie" oder eine "Rückkehr zur Normalität" verspricht. - All das mag seine Berechtigung haben ... - Der Freudenbote im umfassenden Sinn ist aber der, der uns die Gegenwart Gottes zusagt. Gerade das ist die Botschaft von Weihnachten: Gott ist Mensch geworden, in Jesus tritt er ein in diese Welt - mit all ihren Schattenseiten. Und die Nähe Gottes, die er bringt, ist stärker als alles Schlechte oder Böse in der Welt: "Das Licht leuchtet in der Finsternis".

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich möchte mich kurz fassen. Die Freudenbotschaft, die uns Weihnachten auch 2020 bringt, ist nicht irgendein Mittel, das uns zur inzwischen sogenannten "alten Normalität" zurückkehren lässt, sondern die Zusage, dass Gott trotz allem, trotz aller Widerwärtigkeiten - und seien es eine stinkende Futterkrippe und die Armseligkeit des Stalles, in die er hineingeboren wird - uns nahe ist und mit uns geht.

So dürfen wir trotz aller Einschränkungen, aller Bedrängnisse, aller Sorgen zuversichtlich sein. Gott ist mit uns, er leidet auch mit uns, ohne etwas schönzureden.

So sind die uralten Worte des Jesajabuches auch heute aktuell, ja gerade heute angesichts so mancher gegenteiliger Prognosen und schlechter Nachrichten:

"Brecht in Jubel aus, jauchzt zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der HERR hat sein Volk getröstet" - er ist uns nahe gekommen, um uns beizustehen. Und er geht mit uns durch dick und dünn, komme, was da wolle!


Zu den liturgischen Texten

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