7. April 2020 - Osterbesinnung K.a.V. Saxo-Bavaria Prag in Wien

Aus dem Matthäusevangelium (27,45-50)

Liebe Cartellbrüder!

Als mich euer Hoher Senior gefragt hat, ob ich für euch online eine kurze Osterbesinnung machen könnte, nachdem die geplante Budenmesse abgesagt werden musste, habe ich gerne zugesagt.
Und ich habe gleich damit begonnen, mir Gedanken zu machen, worüber ich reden soll.
Worüber spricht man bei einer "Osterbesinnung" in einer Zeit, die geprägt ist vom Ausnahmezustand?
Und da ist mir der Gedanke gekommen, einfach den "Ausnahmezustand" Jesu zu betrachten und damit mitten in die Passionsgeschichte einzutauchen.

Was aber meine ich mit "Ausnahmezustand" Jesu? Dazu muss ich kurz den "Normalzustand" skizzieren.
Und ich mache das mit dem Matthäusevangelium, aus dem ja auch unsere Schriftstelle gewählt ist, vor Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu. Bei seiner Taufe im Jordan spricht die Stimme des himmlischen Vaters: "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe." (Mt 3,17)
Das also ist der "Normalzustand" den ich meine, das Vorzeichen, das die "Tonart" des Lebens Jesu angibt: Jesus und der Vater im Himmel - eine innige Beziehung zwischen Sohn und Vater, eine unsagbare Nähe zwischen ihnen, die sich ausdrückt im Heiligen Geist, der ja bei der Taufe im Jordan in Gestalt einer Taube sichtbar wird.
Das ist das innerste Geheimnis Gottes, den wir als dreifaltigen Gott bekennen: Vater, Sohn und Heiliger Geist - innigste Verbundenheit im gleichen Wesen, ewiger Liebesaustausch, gegenseitiges Sich-Schenken.
Und dieses innergöttliche Verhältnis zwischen Vater und Sohn im Heiligen Geist hört auch nicht auf zu existieren bei der Menschwerdung des Sohnes. Das Verhältnis, das der Sohn zu seinem Vater im Heiligen Geist im inneren Leben der Gottheit hat, dieses Verhältnis besteht auch zwischen Jesus, dem menschgewordenen Sohn, und seinem himmlischen Vater.

Mir geht es jetzt nicht darum, hohe Trinitätstheologie zu betreiben, sondern nur um diese Grundaussage: Jesus und Gottvater - ein unüberbietbares Naheverhältnis!
Das also ist, wie gesagt, der "Normalzustand".
Und jetzt ist vielleicht auch klar, was ich mit "Ausnahmezustand" meine, wenn Jesus ausruft: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" - Auf den ersten Blick keine Spur mehr von Nähe und Zuneigung des himmlischen Vaters! Jesus ist alleingelassen, angenagelt an das Kreuz, auf dem das Gewicht seines Körpers die Lunge zusammendrückt, sodass er qualvoll ersticken wird.

"Ausnahmezustand", keine Nähe zu geliebten Personen, alleine sein, ja sogar das qualvolle Ersticken - diese Schlagworte klingen für uns wahrscheinlich sehr aktuell. Die Nachrichten sind im Moment voll davon.
Und das ist gleich einmal die erste tröstliche Botschaft: Jesus kennt das! Er kann mit uns mitfühlen. Er hat sich alldem nicht entzogen, sondern es durchgestanden und durchgelitten. Es ist nicht gleich Ostern, Friede, Freude und Halleluja mit allen Engeln und Heiligen, sondern zuerst unvorstellbares Leid und Einsamkeit, ja sagen wir es ruhig: Gottverlassenheit.

Doch genau daran möchte ich anknüpfen. Gottverlassenheit - ist das bei Jesus überhaupt denkbar? "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?", was soll diese Frage von jemandem, der doch "eines Wesens mit dem Vater" ist?
Gerade dass Jesus, der natürlich von seinem göttlichen Wesen her nie getrennt ist vom Vater, diese Erfahrung der Gottverlassenheit als Mensch trotzdem durchgemacht hat, ist die zweite tröstliche Botschaft der Passion: Ja, es kann im Leben eines Menschen Situationen geben, in denen man sich sogar von Gott verlassen fühlt. Und vielleicht fühlen gerade in dieser Zeit nicht wenige Menschen so. Auch Jesus kennt dieses Gefühl. Aber an Jesus sehen wir, selbst in diesen aussichtslosen Situationen ist Gott nicht fern. Auch wenn er nicht spürbar und erfahrbar ist, heißt das noch nicht, dass er sich tatsächlich abgewandt hat. Andernfalls hätte ja der Ruf nach ihm "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" gar keinen Adressaten.
Die Beziehung zwischen Gottvater und Gottsohn ist lebendig im Heiligen Geist. "Dann hauchte er den Geist aus", mit diesen Worten beschreibt Matthäus den Tod Jesu. Er "übergab den Geist", heißt es noch genauer im Johannesevangelium. Den Geist übergeben - sich im Heiligen Geist dem Vater schenken - das ist eigentlich die Beschreibung der innergöttlichen Liebe zwischen Vater und Sohn. Und gerade im Augenblick des Todes Jesu vollzieht sich dieses ewige Liebesgeschehen auf besondere Weise: Jesus übergab den Geist.
Ja, Jesus kennt das Gefühl der Gottverlassenheit. "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Doch gerade in diese Situation hinein übergibt er den Geist, wird die Nähe zwischen Vater und Sohn ganz konkret, abseits von der Gefühlsebene, sondern im buchstäblichen sich-an-den-Vater-Verschenken.

Liebe Cartellbrüder!
Ich gebe zu, dieser Gedanke ist sehr theologisch und vielleicht nicht in jedem Punkt sofort nachvollziehbar.
Aber darum geht es mir auch gar nicht.
Mir sind die zwei Aussagen wichtig, die wir glaube ich schon in der Betrachtung dieser Stelle erahnen können:
1. Trostbotschaft: Jesus kennt leidvolle Situationen, ja sogar das Gefühl der Gottverlassenheit. Er kann mit uns mitfühlen.
2. Trostbotschaft: Selbst in der äußersten gefühlten Gottverlassenheit ist die Nähe Gottes möglich und uns zugesagt.

Ich möchte diese Zusage der Nähe Gottes noch versuchen weniger theologisch ins Wort zu fassen mit einem Studentenlied, das ich dazu textlich ein wenig verändert habe, sodass wir uns diese Worte als von Gott zu uns gesprochen denken dürfen:
Wenn alle untreu werden, / so bleib ich dir doch treu; / dass immer noch auf Erden / ich dir ein Anker sei. / Begleit' dich durch dein Leben, / durch gut' und schlechte Zeit. / Will feste zu dir stehen, / denn du bist mir geweiht.
Liebe Cartellbrüder!
Mit dieser Zusage Gottes wünsche ich uns einen guten Weg durch diese Kartage hin zum Osterfest. Ich wünsche uns, dass wir auch im "Ausnahmezustand" die Nähe Gottes erahnen, spüren und erfahren dürfen. Und ich wünsche uns, dass wir auch anderen die Nähe Gottes durch Wort und Tat zusagen können.


FÜRBITTEN
Gott will uns nahe sein. In diesem Vertrauen und mit dieser Zuversicht dürfen wir auch mit unseren Bitten zu ihm kommen.
Auf die einzelnen Bitten antworten wir: "Sei ihnen nahe, o Gott"

  • Wir beten für alle Menschen in Kirche, Staat und Gesellschaft, die im Moment schwierige Entscheidungen treffen müssen.
  • Wir beten für alle, die für uns arbeiten, um die Grundbedürfnisse unseres Lebens zu stillen.
  • Wir beten für alle Menschen, die sich einsam fühlen oder die mit den Menschen, mit denen sie zusammenleben, im Streit sind.
  • Wir beten für alle, die in diesen Tagen einen lieben Menschen durch den Tod verloren haben und sich vielleicht nichteinmal verabschieden konnten.
  • Wir beten für alle Kranken, besonders für die, bei denen die Hoffnung auf Genesung gering scheint.
  • Wir beten für alle Bundes- und Cartellbrüder, für alle unsere Familienangehörigen, Freunde und Bekannte, die wir im Moment nicht treffen können.
  • Wir beten für alle Toten, denn auch sie sind für dich nicht unerreichbar.


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