Weißer Sonntag - Lj. A

Liebe Brüder und Schwestern!

Eine herausragende Rolle im heutigen Evangelium spielen die Wundmale Jesu. Sie werden für Thomas zum Beweis der Auferstehung.
Das mag uns vielleicht etwas komisch vorkommen. Warum gerade die Wundmale? Warum die Narben der grausamen Kreuzigung? Warum steht das an Ostern im Zentrum? Ist das Kreuz nicht durch die Auferstehung überwunden? Wozu also dieser Fokus auf die Wundmale Jesu?
Doch ich denke, dass darin - gerade in unserer Situation - auch eine wichtige Botschaft liegen kann.

Ja, der Auferstandene trägt die Wundmale der Kreuzigung!
Das, was er erlitten hat, ist nicht einfach weggenommen durch die Auferstehung. Seine Wunden sind auch nach der Auferstehung so echt, dass man sie berühren kann, dass man den Finger in die Wunde seiner Seite legen kann.
Und doch ist er - mit seinen Wunden - eingegangen in das neue Leben der Auferstehung. Seine Wunden sind verklärte Wunden, sie sind da - ganz real; aber sie schmerzen nicht, sondern prägen seine Existenz auf andere Weise.

Und das ist auch der Punkt, den ich Ihnen und uns heute mitgeben möchte: Ostern nimmt das Leid nicht einfach weg. Das erleben wir in diesem Jahr auf besondere Weise. Wenn es auch in Österreich bereits einige Lockerungen der scharfen Maßnahmen gibt, so leben wir doch auch nach Ostern noch mit erheblichen Einschränkungen, sind die Wunden der Krankheit, die die ganze Welt in Schach hält, noch deutlich spürbar.
Die Botschaft von Ostern ist nicht, dass das alles weggenommen, ausradiert wird. Aber es wird so in das neue, österliche Leben integriert, dass es nicht mehr schmerzt, sondern auf andere Weise - Gott weiß wie - zu unserer Existenz gehört. Einmal werden wir das in der Herrlichkeit des Himmels erleben dürfen, wenn wir das ewige Ostern feiern.
Doch jedes Osterfest, das wir hier auf Erden feiern, kann uns bereits jetzt (und vielleicht gerade heuer) diese Hoffnung geben und uns erahnen lassen: Auch unsere Wunden sind bereits verklärte Wunden, auch wenn sie hier auf dieser Welt noch schmerzen. Sie sind bereits verklärt, weil Christus alles Leid der Welt mit auf das Kreuz getragen hat und als der Auferstandene alle unsere Wunden als verklärte Wunden trägt. Und gerade so ist er wahrhaft der Auferstandene, der nicht einfach ein gänzlich neues Leben beginnt, sondern dieses Leben hier auf Erden mit all seinen Wunden und Widerwärtigkeiten zum Ziel, zur Verklärung führen will.
So dürfen wir mit dem heiligen Apostel Thomas im Blick auf die Wundmale des Auferstandenen und auch auf unsere eigenen Wunden bekennen: Mein Herr und mein Gott.
Amen.

Zu den liturgischen Texten


Gepostet von Pfarre Eichgraben am Sonntag, 19. April 2020

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