21. Oktober 2020 - Kirchweihfest in Eichgraben

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

"Schon bewegten sich die Zeiger der Uhr gegen Mitternacht als ich noch einmal zu meinem Fenster trat und mit dankbarem Blick hinüberschaute zu unserer Kirche, die im weißen Scheinwerferlicht wahrlich wie eine Gottesburg hineinragte in den dunklen Oktoberhimmel, hinein in die gottgeschenkte Kirchweihnacht."

Mit diesen Worten beendet Pfarrer Josef Seiwald in der Pfarrchronik seine Aufzeichnungen zum Weihetag unserer großen Kirche heute vor 69 Jahren.

Die Kirche, die wie eine Gottesburg hineinragt in den dunklen Oktoberhimmel. - Ein schönes, eindrucksvolles Bild, das Josef Seiwald hier verwendet, nachdem er die Jahre davor sich so sehr eingesetzt hat für den Bau unseres Wienerwalddomes.

Der imposante Kirchenbau als eine Gottesburg, als ein mächtiges Gebäude, in dem Gott als Burgherr wohnt, vielleicht sogar mit eigenem Hofstaat - die anbetenden Engel auf unserem Hochaltarbild oder beim Vierungskreuz auf der Kirchendecke könnten beispielsweise darauf hindeuten - ein sehr eindrückliches Bild! Aber: "Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe", so weiß bereits der weise König Salomo angesichts des neu errichteten Jerusalemer Tempels zu beten. Kann denn ein Gebäude aus Steinen oder aus Holz, auch wenn es noch so imposant oder künstlerisch ausgestaltet sein mag, wirklich eine Gottesburg sein?

Einen anderen Ansatz liefert uns der hl. Paulus in der zweiten Lesung, wenn er den Christen in Korinth und auch uns zuruft: "Ihr seid Gottes Bau." Wenn es wahr ist, was Paulus hier sagt, dann kann das Kirchengebäude, das "wie eine Gottesburg hineinragt() in den dunklen Oktoberhimmel", nur ein Bild sein für uns selbst. Anders gesagt: Es liegt an uns, unsere Kirche wirklich zu einer Gottesburg zu machen. Natürlich ist uns hier die besondere Nähe Gottes zugesagt, wie damals im Tempel, aber diese Nähe Gottes wirklich erfahrbar und erlebbar zu machen, das ist auch unsere Aufgabe.

Wenn Jesus im Evangelium den Tempel reinigt, ihn wieder seiner ursprünglichen Aufgabe zuführt, dann kann das eben auch ein Bild für uns sein: Was gibt es in meinem eigenen Leben an Ballast, der nicht mehr erkennen lässt, dass ich ein Teil von Gottes Bau bin? Wo brauche ich "Reinigung"? Wo darf Jesus in mir Hand anlegen, um meinen Tempel zu reinigen?

Liebe Brüder und Schwestern!

Unsere große Kirche ragt auch heute wie eine Gottesburg hinein in den dunklen Oktoberhimmel. Und es liegt auch heute an uns, dieses Bild auf uns selbst anzuwenden. Auch wir sollen als Gottesburg in die Nacht hineinragen, als Menschen, die Gott Heimat geben und ihn hineintragen auch in die "Nächte", in die dunklen und schwierigen Situationen, die es in unserer Welt und in unserem Ort gibt, ja vielleicht sogar in unserer unmittelbaren Nachbarschaft oder in unserem eigenen Leben. 

Die Botschaft des heutigen Kirchweihfestes könnte also sein: Begnügen wir uns nicht damit, dass wir eine große Kirche in unserem Ort stehen haben, sondern seien wir selber als Teil der Kirche eine Gottesburg, die hineinragt in die dunkle Nacht!

Schrifttexte:
1 Kön 8,22-23.27-30; Ps 84,2-5.10-11a; 1 Kor 3,9c-11.16-17; Joh 2,13-22

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A