26. Oktober 2020 - Österreichischer Nationalfeiertag
„Mit dem Dank an den Allmächtigen wollen wir die Unterschrift setzen und mit Freude rufen wir aus: Österreich ist frei!“
Liebe Brüder und Schwestern!
Mit diesen Worten hat Leopold Figl vor 65 Jahren, am 15. Mai 1955, den österreichischen Staatsvertrag unterzeichnet, der unserem Vaterland nach dem Anschluss an Deutschland, dem Zweiten Weltkrieg und der Besatzung politische Unabhängigkeit und Freiheit gebracht hat.
Die Geschichtsbücher sagen uns, dass am 25. Oktober desselben Jahres der letzte Besatzungssoldat Österreich verlassen hat, sodass der 26. Oktober, heute vor 65 Jahren, der erste Tag gewesen ist, an dem Österreich tatsächlich frei war.
So
schreibt auch Pfarrer Josef Seiwald am 25. Oktober 1955 in die
Eichgrabener Pfarrchronik:
„Unser Vaterland Österreich ist frei!
Nach Jahren der Verdemütigung und der Unfreiheit und vierfacher Besetzung durch fremde Truppen konnten wir am 25. Oktober mit dem festlichen Tag der Flagge die Befreiung und den Abzug aller Besatzungstruppen feiern. Das Leid der vergangenen Kriegs- und Nachkriegsjahre war groß, die Prüfung schwer; möge unser Volk aus diesen Prüfungsjahren geläutert und voll Gottvertrauen in die Zukunft gehen.“
„Mit Dank an den Allmächtigen“ unterschreibt Leopold Figl am 15. Mai 1955 den Staatsvertrag; und vom „Gottvertrauen“, mit dem wir in die „Zukunft gehen“ spricht Josef Seiwald am 25. Oktober 1955.
65 Jahre später durften wir am vergangenen 15. Mai 2020 ebenfalls unseren Dank an den Allmächtigen ausdrücken. Es war das wie durch eine glückliche Fügung genau jener Tag, an dem nach dem sogenannten Lockdown wieder öffentliche Gottesdienste gefeiert werden durften. Österreich ist frei! – So ähnlich haben wohl einige von uns diesen Tag empfunden.
Und wie
schaut es heute am Nationalfeiertag mit unserem Gottvertrauen für die Zukunft aus,
von dem Josef Seiwald heute vor 65 Jahren geschrieben hat?
Vielleicht
sind gerade durch die Meldungen der letzten Tage und Wochen unsere Hoffnungen
gedämpft worden. Die im Mai wiedergewonnene „Freiheit“ scheint nun wieder auf
Messers Schneide zu stehen. Keiner kann sagen, wie es mit der Corona-Pandemie
weitergeht.
Trotzdem
kann das Wort von Josef Seiwald glaube ich auch heute stehen: „Möge unser Volk
aus diese(r) Prüfung() geläutert und voll Gottvertrauen in die Zukunft gehen.“
Österreich ist frei! - Seit 65 Jahren. Wir sind dankbar, dass wir uns diese politische Freiheit bewahren konnten.
Von der
Freiheit spricht auch der hl. Paulus in seinem Brief an die Galater: Zur
Freiheit hat uns Christus befreit!
Der hl. Paulus meint damit aber eine Freiheit, die viel mehr bedeutet als politische Freiheit. Immerhin spricht er in ein von der römischen Weltmacht besetztes Gebiet hinein – also kann politische Freiheit und Unabhängigkeit nicht das sein, was er mit diesem Satz meint.
Zur
Freiheit hat uns Christus befreit! Es geht dem hl. Paulus wohl auch nicht einfach
um die Freiheit, öffentliche Gottesdienste feiern zu dürfen – auch das ja
durchaus keine Selbstverständlichkeit in der damaligen Zeit!
Nein, die Freiheit, von der Paulus spricht, ist eine viel tiefere. Es geht darum, dass wir in Christus frei sind nicht einfach von irgendwelchen Zwängen oder Einschränkungen. Die Freiheit der Kinder Gottes ist nicht in erster Linie eine „Freiheit von …“, sondern eine „Freiheit zu …“.
Zur
Freiheit hat uns Christus befreit. Wir können nun frei und freimütig unser
Leben für das Gute, für andere Mitmenschen, für die Gesellschaft, für die
Kirche, für die Verkündigung des Evangeliums oder für andere Dinge einsetzen –
nicht aufgrund von Geboten und Verboten, sondern aufgrund dieser inneren
Freiheit, die Christus uns schenkt.
Liebe Brüder und Schwestern!
Diese
Freiheit, von der Paulus spricht, die kann uns in der Tat niemand nehmen. Keine
Besatzungsmacht, keine Corona-Einschränkungen, keine Krankheit, ja nicht einmal
der Tod.
Wenn
wir uns daher heute dankbar an die Worte erinnern: „Österreich ist frei!“, dann
dürfen wir wissen, dass diese Freiheit noch viel tiefer geht; und das ist
wirklich ein Grund, wie Josef Seiwald sagt, auch durch die Läuterungen
verschiedener Prüfungen hindurch „voll Gottvertrauen in die Zukunft (zu) gehen“.
Schrifttexte:
Gal
5,1.13-18 (13. Sonntag C)
Lk
4,16-21 (Chrisam-Messe)
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