13. September 2019 - Fatimafeier in Maria Kirchbüchl

Liebe Marienverehrer!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Beim Aussuchen der Messtexte für die heutige Marienfeier habe ich mich für die Texte entschieden, die eigentlich übermorgen vorgesehen wären, wenn der 15. September nicht auf einen Sonntag fallen würde.
Morgen, am 14. September, feiern wir ja das Fest Kreuzerhöhung, wir sind eingeladen zum Blick auf Jesus Christus, den Gekreuzigten, auf all das, was er für uns getan und erduldet hat.
Und am Tag darauf gedenkt die Kirche eben der Schmerzen Mariens, richten wir unseren Blick besonders auf sie, die mit ihrem Sohn mitleidet, die ihn nicht verlässt, sondern bei ihm aushält bis zum Tod.


Liebe Brüder und Schwestern!
Die Verehrung der schmerzhaften Gottesmutter ist im Mittelalter aufgekommen und hat ihre Blütezeit in den Leiden des 30jährigen Krieges und darüber hinaus. Mit Blick auf Maria, die ihren toten Sohn im Schoße hält, hat bestimmt so manche Mutter Trost gefunden, die um ihre gefallenen Söhne trauerte; und auch andere Menschen, die viel erleiden mussten, durften den Trost Mariens, der Mutter der Schmerzen, erfahren.

Wenn heute dagegen jemand ein Leiden verspürt, dann ist es modern wegzuschauen, sich davon abzulenken. Manchen Zeitgenossen mag es paradox vorkommen, gerade in solchen Situationen bei einer leidenden Mutter Trost zu suchen: Wie soll mich jemand trösten können, der selber trostlos ist?

Wir könnten es uns an dieser Stelle leicht machen und auf solche Fragen antworten: Ja, aber Maria ist nicht trostlos. Vor einem Monat haben wir gefeiert, dass sie – nach allem Leid ihres irdischen Lebens – als ganzer Mensch eingehen durfte in die Herrlichkeit des Himmels. Ist das nicht doch ein großer Trost, dass all das Leid nicht das letzte Wort hat, sondern verwandelt wird in himmlische Freude?
Und gewiss wäre diese Antwort richtig. Und es stimmt: die Herrlichkeit des Himmels, die uns in Aussicht gestellt ist und die Maria bereits in ihrer Fülle verkosten darf, ist der letzte Grund, warum wir Christen das Leiden nicht über alles zu fürchten brauchen: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“, sagt Paulus. Doch meine ich, dass darin auch eine Gefahr liegt, wenn wir den Blick zu schnell von der schmerzhaften Gottesmutter und vom Kreuz abwenden und uns der glorreichen Himmelskönigin und dem erhöhten Christus zuwenden. Es könnte schnell als eine ach so verpönte „Vertröstung auf das Jenseits“ ausgelegt werden. Und es nimmt letztlich die bittere Realität des Leidens nicht ernst.

Einem wirklich akut Leidenden einfach zu sagen: Deine Leiden werden einmal ein Ende haben. – Das würde nicht wirklich von Mitgefühl zeugen. Der Betroffene würde sich vielleicht nicht ernst genommen fühlen. Er würde im schlechtesten Fall sogar aggressiv darauf reagieren: Und was hilft mir das jetzt?!
Vielleicht ist der Blick auf die schmerzhafte Gottesmutter gerade deshalb für viele so tröstlich gewesen und kann es auch heute noch sein, weil da jemand ist, der wirklich leidet, der daher auch wirklich mitfühlen kann mit dem, was ich gerade durchmache, der mich dann freilich in einem zweiten Schritt tatsächlich an der Hand nehmen und mich durch das Leiden hindurch bis hin zur Freude begleiten kann.

Liebe Brüder und Schwestern!
So wie der auferstandene Herr Jesus Christus auch an seinem verklärten Leib die Wunden der Kreuzigung trägt, so sind auch die Schmerzen der Gottesmutter sicher nicht bei ihrer Himmelfahrt einfach ausradiert worden. Alles, was ein Leben auf Erden prägt – davon dürfen wir überzeugt sein – das wird auch in der Ewigkeit nicht verloren sein.
Im Himmel gibt es keine Trauer und keinen Schmerz, das wissen wir auch aus der heiligen Schrift, so steht es in der Offenbarung des Johannes. Aber die Wundmale sind verklärte Wundmale und als solche noch immer prägend. Das Tröstliche ist nicht, dass der Schmerz einfach weggenommen, sondern verwandelt wird; dass uns all unsere bitteren und schmerzlichen Erfahrungen nicht genommen werden, sondern gerade als bittere und schmerzliche Erfahrungen mit hineingenommen werden in die ewige Freude.

Kennen Sie das nicht, dass Sie manchmal sagen: Das war ein Fehler, ein Irrweg, aber ich bin froh, diese Erfahrung gemacht zu haben!
Dieser Satz macht den Fehler nicht ungeschehen und der Irrweg bleibt ein Irrweg. Aber doch kann man rückblickend sogar Freude darüber empfinden. – So ähnlich dürfen wir uns das vorstellen, dass unser irdisches Leid, unsere Wundmale in der Freude des Himmels verklärt werden.

Liebe Brüder und Schwestern!
Blicken wir unter diesen Voraussetzungen auf Maria, die unter dem Kreuz steht, auf Maria, die ihren toten Sohn im Schoße hält.
Maria teilt das Leiden ihres Sohnes und auch ihre Seele durchfährt das Schwert des Schmerzes, das ihr der greise Simeon vorausgesagt hat, aber sie bleibt ihrem Jawort treu.
Wenn wir auf sie blicken, sehen wir eine Frau, die ganz durchdrungen ist vom Schmerz, die diesen Schmerz aber nicht einfach beiseite legt, sondern ihn zulässt, die so schließlich auch zulässt, dass dieser Schmerz von ihrem Sohn verwandelt wird.

Mit Blick auf die schmerzhafte Mutter muss unser erstes Gebet gar nicht sein, dass sie uns den Schmerz nimmt. Wir dürfen uns einfach mit ihr verbunden wissen. Wir dürfen wissen, dass ihre Tränen, indem sie ihrem Sohn gelten, auch uns gelten, denn „er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen“, wie es der Prophet Jesaja geweissagt hat.
Bei Maria müssen wir nicht stark sein, bei Maria dürfen wir unser Leid zulassen, ihr dürfen wir auch unsere Tränen bringen:
„Lass mich wahrhaft mit dir weinen“, rufen wir in den liturgischen Texten vom 15. September zu ihr.

„Geteiltes Leid ist halbes Leid“, sagen wir gerne.
„Mit Jesus und Maria geteiltes Leid wird verklärtes Leid“, möchte ich sagen.
Darin liegt der große Trost den sie uns spenden kann.

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich möchte Sie dazu ermutigen, gerne auch bei der schmerzhaften Mutter zu verweilen und nicht gleich das Auge von ihr abzuwenden mit Blick auf ihre himmlischen Freuden. Dieser Umschwung wird ganz von selbst kommen. Maria wird uns echten Trost spenden und uns hinführen zu jener Freude, die sie schon ewig besitzt – und diese Erfahrung, die zugegebenermaßen bitter erkauft werden muss, wird dafür umso tröstlicher sein. 


Zu den liturgischen Texten (vom 15. September)

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