26. Sonntag i. Jkr. - Lj. C - Nachprimiz in Süßenbach

Liebe Brüder und Schwestern!

Ein lebendiges Bild entsteht wahrscheinlich vor unserem geistigen Auge, wenn wir das heutige Evangelium hören.
Sehr detailreich wird von Jesus der Reichtum des Mannes geschildert; sein luxuriöser Lebensstil erscheint uns fast mit Händen greifbar.
Noch ausdrucksstärker wird der arme Lazarus gezeichnet: Er liegt draußen vor dem Haus; und anstatt dass er vom Abfall der Speisen essen, sozusagen daran "lecken" könnte, lecken die Hunde an seinen Geschwüren.
Zwei Personen, zwei Leben, zwei Schicksale werden da geschildert, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Ebenso ausdrucksstark ist dann die zweite Schilderung dieser Personen:
Da ist der arme Lazarus, der gemäß damaliger jüdischer Jenseitsvorstellungen in Abrahams Schoß aufgenommen wird bzw. der, anders übersetzt, an Abrahams Brust zu Tische liegt.
Und da ist der Reiche, der höllische Feuerqualen erleiden muss.
Die Sachlage hat sich radikal verändert. Nun ist der ehemals Reiche arm und "draußen", während Lazarus reich und "drinnen" ist.
Im ersten Bild hat Lazarus sehnsuchtsvoll in das Haus des Reichen geschaut, jetzt blickt der Reiche sehnsuchtsvoll zu Lazarus.

Liebe Brüder und Schwestern!
Der große östliche Kirchenvater Johannes Chrysostomus kommentiert das Geschehen folgendermaßen:
"Siehe, jetzt bedarf der Reiche des Armen. Die Dinge haben sich gewandelt, und allen ist nun klar, wer der Reiche und wer der Arme ist."
Die Erzählung Jesu will also offenlegen, wer vor Gott wirklich reich und wer wirklich arm ist. Und hier zeigt sich, dass sich der Sachverhalt oft gerade umgekehrt darstellt. "Selig ihr Armen, weh euch, ihr Reichen!", so hat es Jesus bereits in der Feldrede zu Beginn des Lukasevangeliums gesagt. Das heutige Evangelium erscheint geradezu als eine erzählerische Ausgestaltung dieses Ausrufs.
Für Gott zählen andere Dinge, bestimmen andere Faktoren den Reichtum einer Person, nicht der Kontostand oder Lebensstil.
Bei Gott zählen andere Maßstäbe und wenn wir vor ihn hintreten, letztlich in der Stunde unseres Todes, dann erkennen wir, wie es wirklich um unseren Reichtum steht.
Der hl. Johannes Chrysostomus sagt weiter:
"Wie im Theater, wenn es Abend wird und die Zuschauer nach Hause gehen, dann kommen auch die Schauspieler heraus, und sie legen ihre Kostüme ab, die Könige und Prätoren zu sein schienen; man sieht alle ihre Geschwüre, so wie sie sind. So wird es auch sein, wenn es zum Sterben kommt und das Schauspiel zu Ende ist." 
Der Reichtum kann die Gefahr beinhalten, ihn als Maske zu verwenden, die unschönen Stellen in unserem Inneren zu kaschieren, sich nicht wirklich damit auseinanderzusetzen.
Das heutige Evangelium ist eine Einladung an uns, unseren Reichtum nicht dafür einzusetzen. Wir müssen nicht alles, was wir besitzen, hergeben, aber wir sollen gut damit umgehen, sollen unseren Reichtum nicht dazu benutzen, Masken herzustellen, uns vor unserer Umwelt zu verschließen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Damit ist die Erzählung Jesu aber noch nicht zu Ende. Sie hat einen zweiten Gipfelpunkt in der Forderung eines Zeichens. Und hier ist Jesus ganz nüchtern: "Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören." Und: "Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht."
Hier nimmt Jesus bereits sein eigenes Geschick vorweg. Er selbst ist ja der, der Mose und die Propheten mit Vollmacht auslegt - und ihm wird nicht von allen geglaubt, er stößt auf Ablehnung! Er selbst ist schließlich auch der, der wie Lazarus "vor dem Haus liegt", wenn er "vor den Toren der Stadt" gekreuzigt wird; er selbst ist der, der von den Toten auferstehen wird - und ihm wird nicht von allen geglaubt werden!
Die Entscheidung, wie wir unser Leben gestalten, ob wir uns wie der reiche Prasser im Evangelium in uns und unseren Reichtum einigeln und die Augen vor unserer Umwelt verschließen; diese Entscheidung kann uns nicht abgenommen werden, sie kann uns nicht per Gesetz verordnet werden, sie bleibt unsere freie Entscheidung.

Liebe Brüder und Schwestern!
Heute ist in Österreich Wahlsonntag. Die verschiedenen Parteien versprechen so einiges an Gutem, wenn man sich für sie entscheidet; sie prophezeien auch Schlechtes, wenn man sich für die anderen entscheidet. Und die Entscheidung, wo wir in der Wahlkabine das Kreuzerl machen, kann uns niemand abnehmen.

Jesus stellt uns mit dem heutigen Evangelium auch vor die Wahl. Und er verspricht ebenfalls Gutes, wenn wir uns richtig entscheiden; bzw. er warnt auch vor schlechten Konsequenzen, wenn wir die falsche Wahl treffen. Er nimmt uns unsere Entscheidung nicht ab. So wie wir unser Kreuzerl heute selber machen müssen, so müssen wir unser Leben selber leben - und zwar hoffentlich nicht nur oberflächlich und halbherzig, hinter einer Maske versteckt.

Heute, am 29. September, ist auch das Fest der heiligen Erzengel. Möge uns der hl. Erzengel Michael, der sich selbst - anders als sein "Gegenspieler", der Teufel - ganz und gar für Gott entschieden hat, Fürsprecher und Helfer sein!

Zu den liturgischen Texten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A