Kreuzerhöhung

Liebe Brüder und Schwestern!

Sollen in öffentlichen Gebäuden Kreuze angebracht werden?
Soll das Kreuz Platz haben in unseren Klassenzimmern, in Gerichtssälen, auf Berggipfeln und Wegkreuzungen?
Eine in letzter Zeit immer wieder heftig diskutierte Frage!

Das heutige Fest der Kreuzerhöhung lädt uns unabhängig davon ein, unseren Blick auf das Kreuz zu richten. So wie die Israeliten damals in der Wüste vertrauensvoll zur Kupferschlange aufblickten und geheilt wurden, so dürfen wir unsren Blick auf den Gekreuzigten richten und von ihm Heil und Segen erwarten.

Wie kein anderes Symbol ist das Kreuz Inbegriff des Christentums geworden. Wenn radikal islamische Gruppen etwa ihre Drohungen an den vermeintlich christlichen Westen richten, richten sie sich an die "Nation des Kreuzes".
Dabei ist es für die Kirche lange Zeit gar nicht so selbstverständlich gewesen, das Kreuz als ihr Kennzeichen anzusehen. Zu sehr war das Kreuz ein Zeichen des Todes, ein brutales Instrument zur Hinrichtung. Groß war der Spott der Gegner, dass man gerade einen Gekreuzigten als den Sohn Gottes, als Gott selbst verehrte. Man scheute sich also lange das Kreuz darzustellen. Und selbst wenn man es darstellte, dann ohne den Gekreuzigten, ohne den leidenden Christus, sondern verziert mit Edelsteinen, Gold und Silber. Erst allmählich konnte man sich dazu durchringen, auch Jesus auf dem Kreuz darzustellen - freilich zuerst nicht den toten Jesus, sondern den Auferstandenen: Bei aller Härte und Brutalität des Kreuzes strahlt für den Christen immer schon die Hoffnung und die Gewissheit auf das neue Leben durch. Und auch spätere Darstellungen, die den toten Christus zeigen, kommen meist nicht ohne Gold oder Edelsteine aus.

Liebe Brüder und Schwestern!
Es geht bei der Darstellung des Kreuzes nicht um die Brutalität eines Hinrichtungswerkzeugs, nicht die Gewalt ist es, die dabei in Szene gesetzt wird. Und doch dürfen wir diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren!
Wenn wir dem Kreuz seine Radikalität nehmen, wenn wir uns nicht mehr daran stoßen, dass der menschgewordene Gott grausam hingerichtet wurde, dann hat unser Christentum seine letzte Relevanz verloren, denn genau darum geht es: Die totale Umkehr menschlicher Maßstäbe: Nicht wer sich um sein Leben sorgt, wer immer mehr irdische Güter anhäuft, wird am Ende das Leben gewinnen; sondern wer alles hingibt, selbst sein Leben, der wird am Ende mit Christus siegen.

Vielleicht kann uns die Debatte um das Kreuz im öffentlichen Raum wachrütteln! Ist uns das Kreuz nur noch ein Schmuckstück, eine Raumdekoration, ein Identitätssymbol des christlichen Abendlandes? Oder lassen wir uns vom Kreuz berühren, lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf Christus, ist uns das Kreuz ein Hoffnungszeichen, dass nach allem Leid das ewige Leben auf uns wartet?

Ich persönlich habe mich in einer Zeit, in der viel über das Kreuz diskutiert wird, dazu entschieden, anlässlich meiner Priesterweihe in meinem Heimatort selber ein öffentliches Wegkreuz zu errichten. Am Vorabend meiner Primiz wurde es feierlich eingeweiht. Es soll nicht nur ein Denkmal an meine Priesterweihe sein, eben doch wieder nur ein Schmuckstück am Wegrand. Bischof Christian Werner, der das Kreuz geweiht hat, hat darauf hingewiesen, dass man das Wort Denkmal auch als Aufforderung verstehen kann: "Denk einmal!" - Denk einmal daran, was hier eigentlich dargestellt ist. "Christo crucifixo sacerdoti unico" - "Dem gekreuzigten Christus, dem einzigen Priester", lautet die Inschrift dieses Kreuzes. Priester, Mittler zwischen Gott und Mensch, ist für uns im eigentlichen Sinne Jesus Christus allein - und zwar als der Gekreuzigte, der ganz uns Menschen gleich geworden ist und der sich ganz dem Vater für uns hingibt. 

Liebe Brüder und Schwestern!
Das heutige Fest der Kreuzerhöhung kann ein Anlass für uns sein, nicht achtlos am Kreuz vorbeizugehen.
Nehmen wir uns etwa vor, bei einem Wegkreuz kurz innezuhalten. Früher gab es den Brauch, dass die Männer beim Vorbeigehen am Kreuz den Hut abnehmen. Wie kann ich diesen alten Brauch für mich selbst lebendig machen? Durch ein kleines Zeichen der Aufmerksamkeit vor dem Kreuz, durch einen einfachen Gedanken an das, was uns das Kreuz eigentlich bedeutet, durch ein kurzes Stoßgebet zum Gekreuzigten.

Wenn wir so zu Christus aufblicken wie zur ehernen Schlange, wenn wir unser Leben zum Kreuz hin ausrichten, ob es nun in Zukunft einen Platz in unserer Öffentlichkeit haben wird oder nicht, dann wird es uns sicherlich zur Quelle von Heil und Segen werden; dann werden wir mit Blick auf das Kreuz auch die Herausforderungen und Kreuze unseres Lebens meistern können; dann wird der österliche Funke der Hoffnung, der vom Kreuz ausgeht, auch unserem alltäglichen Leben Hoffnung schenken.

Zu den liturgischen Texten

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